Buschfeuer: Australien-Thriller (German Edition)
«
» Dann war es also kein Streit, sondern ein geplanter Anschlag « , konstatierte Gil.
Woraufhin Kris sich fragte, weshalb Joe Petric ihr diese Information nicht weitergeleitet hatte– und weshalb ein Priester mehr wusste als sie.
Simon neigte den Kopf leicht zur Seite. » Wenn die Gerüchte denn stimmen. «
» Hattest du in letzter Zeit Kontakt mit ihm? «
» Rein zufällig, ja. Er schaute mehrmals im Jahr vorbei. Zuletzt erst vor zwei Wochen. «
Simon kannte Vince? Kris sah von einem zum anderen und stellte fest, dass Gil das keineswegs überraschte.
Gil achtete derweil nur auf den Geistlichen. » Und? «
» Wir haben uns unterhalten. Er hat dem Asyl eine großzügige Spende zukommen lassen. Dann hat er mich um einen Gefallen gebeten. « Simon sah Gil in die Augen und sprach ganz unverhohlen: » Er hat mir eine Dokumentenmappe gegeben und mir das Versprechen abgenommen, sie dir auszuhändigen, falls ihm etwas zustoßen sollte. Er sagte, ich würde schon ein sicheres Plätzchen finden, um sie zu verwahren. Und dann hat er mir eingeschärft, es sei sicherer für dich, wenn du von ihrem Vorhandensein erst erfährst, wenn es… nötig wird. «
» Also hast du sie in das Bankschließfach gesperrt. « Gil sprach ruhig, kontrolliert.
» Ja. Das schien mir das Vernünftigste. Er hat mir versichert, die Dokumente könnten dir keinesfalls schaden. «
Kris fügte eins zum anderen. Simon hatte den Schlüssel. Simon hatte von Gil den Auftrag, das belastende Material über Vince in Umlauf zu bringen, falls ihm etwas zustieße. Aber das hatte Vince entweder gewusst oder geahnt.
Ihr war nicht recht klar, in welchem Verhältnis Simon und Vince zueinander standen, zumindest aber hatte der Geistliche Vince so weit über den Weg getraut, dass er sich auf dessen Wunsch einließ und Gil nichts davon erzählte.
» Sie haben ihm geglaubt? « , fragte sie ihn.
» In Anbetracht der Art unserer Unterredungen über die Jahre, ja, ich habe ihm geglaubt. Aber wie ich sehe, wundert Sie das. Demnach ist Ihnen zu Ohren gekommen, was man sich über Vince erzählt? «
» Ein wenig. « Mord zum Beispiel. Drogen und Schutzgelderpressung zum Beispiel. Dass er eine Tochter in die Welt gesetzt hatte, die mit seiner Billigung von frühester Jugend an missbraucht wurde, zum Beispiel. In Kris’ Augen samt und sonders unverzeihlich.
Simon rutschte ein wenig auf dem Schreibtisch hin und her und entlastete mit der heilen Hand den gebrochenen Arm.
» Es gibt vieles, was ich Ihnen über Vince nicht erzählen kann. Einiges hat er mir im Vertrauen gesagt, einiges weiß ich schlicht nicht. Was ich aber weiß, ist, dass er ein vielschichtiger Mensch war. Er wuchs in einer Welt auf, die Sie und ich wohl nie verstehen können, einer Welt mit eigener Moral und einer eigenen Lehre von Macht und Stärke. Es ist eine Welt, in der die Menschen nicht gerade dazu ermuntert werden, ein Gewissen und Mitgefühl zu entwickeln, und doch hat Vince sich im Laufe der Zeit beides erworben. Und so stand er vor einem Dilemma: Sollte er sich von allem lossagen, was er kannte, und ins Exil gehen– wahrscheinlicher in den Tod– oder seine Macht und seinen Einfluss dazu einsetzen, die Exzesse von innen heraus abzumildern und allmählich einen Wandel dieser seiner Welt herbeizuführen. Er entschied sich für Letzteres. «
» Was ihn aber kaum zum Heiligen macht « , stellte Gil mit pointierter Bitterkeit fest.
Ein trauriges Lächeln lag auf Simons Gesicht. » Was ich nicht im Mindesten bestreite. Aber er war eben nicht ganz so schlecht wie sein Ruf. Den hat er sehr gepflegt, um als stark und unbesiegbar zu gelten. Und es hat funktioniert– zumindest vorübergehend. «
» Bis Sergio Russo auftauchte « , präzisierte Kris, die weitere Teile des Puzzles zusammenfügte.
» Er nannte keine Namen, aber ich höre so das eine oder andere, und es ist in letzter Zeit eindeutig mehr los. Dabei sind nicht nur deutlich mehr Drogen in Umlauf, das Geschäft wird auch wesentlich härter kontrolliert– professioneller und unduldsamer. Die Angst hat gegenüber letztem Jahr stark zugenommen. Vince machte sich Sorgen um die Zukunft– auch um die eigene. «
» Weißt du, was in dem Umschlag ist? « , fragte Gil.
» Nein. Aber ich kann es mir denken. Er fand, es sei an der Zeit, einiges in Ordnung zu bringen. Und er hatte große Achtung vor dir, er hat an dich geglaubt. «
Simon ging zu dem alten Metall-Aktenschrank in der Ecke, zog die oberste Schublade heraus, griff mit dem
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