Buschfeuer: Australien-Thriller (German Edition)

Verbindungstür zu einem weiteren Büro. » Madeline hilft dir, wenn es nötig ist. «
    Und damit war Gil mit ihrem Vater allein. Er spürte seinen fragenden Blick auf sich ruhen, drehte sich um und sah ihm in die Augen.
    » Sie könnten Kris nicht vielleicht dazu überreden, an einen sicheren Ort zu gehen oder bei Ihnen zu bleiben? « , fragte er den Älteren.
    » Wenn Sie meine Tochter schon länger kennen, werden Sie wissen, dass niemand sie von dem abbringen kann, was sie für richtig hält. Ich am allerwenigsten. «
    In seinen Worten lag eine Traurigkeit, deren Wurzeln offenkundig weit zurückreichten, doch er fuhr fort und ließ keine Gelegenheit für Nachfragen. » Die Menschen, die Ihnen wichtig sind… zählt sie auch dazu? «
    Gil log nicht. » Ja. «
    Der ältere Herr hörte auf, sich als Kronanwalt zu gebärden, und war nun einfach Vater. » Gibt es etwas, was ich tun kann? «
    » Halten Sie vorläufig still. Erwähnen Sie gegenüber niemandem– nicht einmal der Familie–, dass wir bei Ihnen waren und wovon die Rede war. Außerdem schlage ich vor, dass Sie Ihr Wachpersonal in Alarmbereitschaft versetzen. Ich glaube zwar nicht, dass man uns hierher gefolgt ist, aber es ist gut möglich, dass jemand die Beziehung zwischen Kris und Ihnen entdeckt. «
    Wenn die Russos allerdings Kris’ Lebenslauf nicht mit großer Akribie ausforschten, hoffte er, ihr Allerweltsname würde ausreichen, die Familie nicht auch noch mit hineinzuziehen.
    Kris kehrte mit einem kleinen Bündel Kuverts zurück. Eins reichte sie dem Vater. » Das ist eine Kopie des Testaments. Würdest du es sicher aufbewahren? Und dies ebenso. « Einen kurzen Moment zögerte sie, dann legte sie ihre Hand auf die des Vaters. » Dad, wenn ich mich in achtundvierzig Stunden nicht gemeldet habe, dann vervielfältige bitte den Inhalt und schicke es mit einem verlässlichen Kurier an die Personen, die ich im Umschlag aufgeführt habe. Es ist wichtig. «
    » Versprochen. « Er küsste sie auf die Stirn und zog sie für eine flüchtige Umarmung an sich. » Passt auf euch auf, alle beide. Und wenn du das nächste Mal nach Sydney kommst, plane ein bisschen Zeit für deine Familie ein, ja? Deine Mutter vermisst dich. Und Royce und Steph. «
    Royce und Steph, registrierte Gil. Aber nicht Royce, Steph und…?
    Während der Liftfahrt nach unten schwieg sie bedrückt.
    Es war zu gefährlich, in einem öffentlichen Aufzug über Vince und das Dilemma, in dem sie steckten, zu debattieren, selbst wenn sie unter sich waren, und noch weit gefährlicher wäre es gewesen, die Arme um sie zu legen, und das auch aus anderen Gründen.
    » Siehst du deine Familie oft? « , fragte er.
    Sie schüttelte ihre augenblicklichen Gedanken ab. » Oft nicht. Sie kommen nie in den Busch– verstehen überhaupt nicht, wie ich dort leben kann–, und ich war in den letzten Jahren einfach zu beschäftigt, um mich viel hier herumzutreiben. « Sie rang sich ein Grinsen ab. » Ich bin eindeutig kein Stadtmädel mehr. «
    » Leben deine Geschwister hier? «
    » Ja. Royce ist Finanzanalyst, er arbeitet nur eine Straße von hier, und Stephanie ist Fashion-Redakteurin für ein Hochglanzmagazin. «
    » Auf einem der Familienfotos war noch ein zweiter Bruder. Er sah dir sehr ähnlich. «
    Ihr Gesicht umwölkte sich, und es tat ihm leid, dass er gefragt hatte, aber sie antwortete mit tonloser Stimme: » Das ist Hugh. Er ist tot. Er hat beobachtet, wie eine Frau vor einem Pub überfallen wurde, ist ihr zu Hilfe geeilt und wurde vom Angreifer erschossen. Hugh war einundzwanzig. «
    Und sie musste neunzehn oder zwanzig gewesen sein, vermutete er, und ihrem Bruder sehr nahe gestanden haben. » Bist du deshalb zur Polizei gegangen? «
    » Auch. « Sie lächelte wehmütig. » Und um meinen Vater zu ärgern, der wollte, dass Hugh und ich Jura studieren. Dad und ich waren nicht immer einer Meinung, was Gerechtigkeit ausmacht. Aber hauptsächlich wollte ich die Welt zum Besseren ändern, und dazu muss ich nun wirklich nicht den ganzen Tag am Schreibtisch sitzen. «
    Mit einem Klingeln kam der Lift im Erdgeschoss an, und die Türen glitten auf.
    » Wohin nun? « , fragte sie.
    » Zum Motorrad und auf dem schnellsten Weg zurück nach Dungirri « , entschied er.
    Das Unbehagen, das ihn verfolgte, seit er Vinces Testament gelesen hatte, steigerte sich. Ihre Überlebenschancen standen außerhalb der Stadt, wo Tony und Sergio nicht auf ihre vollen Ressourcen zurückgreifen konnten und sich weniger gut auskannten,