Buschfeuer: Australien-Thriller (German Edition)
mal zwölf, und seitdem hat sie sie anschaffen lassen. Wie krank muss man sein, um der eigenen Tochter das anzutun? «
Kris’ Magen krampfte sich bedenklich zusammen. Sie hatte ihm keine Antwort anzubieten. Sie hatte keine Antwort auf so vieles, was sie gesehen hatte– eine Meute ansonsten normaler, friedlicher Leute zum Beispiel, die einen wehrlosen, alten Mann zu Tode prügelten; oder den Mann, der einem kleinen Mädchen die Pistole an den Kopf hielt und abdrückte. Und sie war sich nicht sicher, ob Antworten irgendetwas leichter gemacht hätten.
» Vince hat sie da herausgeholt « , fuhr Gil fort. » Er hat ihre Ehe mit Digger arrangiert, damit sie ein Heim und jemanden hat, der sich anständig um sie kümmert. Nur verfiel Digger dann auch dem Suff und war ihr überhaupt keine Hilfe mehr, selbst als er noch lebte. «
» Vince hat ihre Ehe arrangiert? « Diese archaische Vorstellung ließ sie aufmerken, und nun wollte sie wirklich wissen, was die tote Frau und den toten Mann verbunden hatte. Bei zwei so nahe beieinander liegenden Morden war jede Verbindung bedeutsam. Wahrscheinlich wusste Petric mehr als sie, aber er hatte ihr sein Wissen vorenthalten. » Gestern Abend sagtest du, sie hätten sich gekannt. War sie seine Geliebte? «
» Nein. Er hatte Gespielinnen. Eine Frau hatte er auch. Marci und er… eine seltsame Beziehung. Er hat über all die Jahre nie den Kontakt zu ihr abreißen lassen. Sie hat mit ihm geflirtet– sie flirtete mit jedem Mann, den sie kannte–, aber er behandelte sie wie ein kleines Mädchen, nicht wie eine Geliebte. Manchmal hatte ich das Gefühl…« Er fuhr sich mit der Hand durchs Haar. » Also, die Mutter hat Marci erzählt, ihr Vater sei irgendein Freier gewesen, und das eine Mal, als ich Vince danach fragte, hat er einfach nur gelacht, aber… wäre es möglich, einen DNA -Test zu machen? «
» Du denkst, dass Vince ihr Vater war? « Das Räderwerk von Kris’ Gedanken ratterte los. Ein reicher, mächtiger Mann hat ein dauerhaftes Interesse an einer Frau, die er wie ein kleines Kind behandelt. Auf eine kranke, abgedrehte Art ergab das Sinn. Aber der Rechtsmediziner brauchte schon etwas Handfesteres als eine vage Vermutung, um einen Test anzuordnen. » Wie alt waren die beiden? «
» Vince Mitte sechzig, knapp an die siebzig. Marci ein wenig älter als ich. Vince muss schon verheiratet gewesen sein, als sie zur Welt kam. Marci– sie sah ihm nicht richtig ähnlich, aber falls sie seine Tochter war, dann würde das einiges erklären. «
» Zum Beispiel? « , hakte sie nach.
Er setzte sich wieder hin, ihr gegenüber. » Ich weiß noch, als ich den Deal mit Vince abgeschlossen habe, da hat er, als ich ging, beiläufig fallen lassen, er würde es zu schätzen wissen, wenn ich ein wenig auf sie aufpasste. Das gehörte nicht zur Abmachung, war auch keine Drohung, nur eine Bemerkung. Aber als ich kürzlich ihretwegen bei ihm war, da war er dankbar– das hat er wortwörtlich so gesagt–, dass ich sie ›nicht fallen ließ‹. Ich fand das schon ein wenig seltsam, schließlich hatte er einen Sohn, der sie auf den Tod nicht ausstehen konnte und alles daran setzte, ihr Leben zu ruinieren. Falls Tony diesen Verdacht ebenfalls hatte… würde das seinen Hass mehr als erklären. «
» Ich werde die DNA -Tests anfordern. Aber es wird einige Zeit dauern « , warnte sie. » Eine rasche Aufklärung wird es nicht geben. «
Er zog ein Blatt Papier aus der Jeanstasche– dasjenige, das er zuvor verborgen hatte–, und faltete es auf. Er ließ kurz den Blick darüber schweifen, dann gab er es ihr.
» Die Liste, um die du mich gebeten hast. Die denkbaren Verdächtigen. Leute, die ein Motiv hätten… zumindest, soweit ich davon weiß. «
Sie betrachtete die Spalten, beunruhigt von der schieren Anzahl der » denkbaren « Verdächtigen, und sie staunte, als sie die Spalte für Jeanie entdeckte, in die ebenfalls mehrere Namen eingetragen waren.
Sie traute Gils Urteil, aber das ergab einfach keinen Sinn. Nicht bei der Jeanie, die sie seit fünf Jahren kannte und deren enge Freundin sie geworden war.
» Was zum Teufel haben Dan und Brian Flanagan in der Jeanie- Spaltezu suchen? «
Diese Frage hatte er erwartet, und er antwortete standhaft, als wisse er, dass sie ihm nicht leicht glauben werde. » Sie und Aldo haben über viele Jahre Schutzgeld gezahlt. Brian trieb immer die ›Rechnungen‹ ein. «
Sie schüttelte den Kopf. Schutzgeld. Rechnungen. Mann, so was gab es sonstwo, aber doch
Weitere Kostenlose Bücher