Bushido
Ego war für einen Moment gestreichelt worden, mehr aber auch nicht. Schon am nächsten Tag hatte ich nicht mehr daran gedacht.
Meine ganzen Preise, Auszeichnungen, Awards, all die Gold- und Platin-Schallplatten, standen die letzten Jahre in der Ecke meines Wohnzimmers, hinter einem riesigen Stapel DVDs, und machen nichts, als Staub zu fangen. Es ist doch immer so bei Dingen, die man zum ersten Mal macht. Der erste Sex ist auch noch aufregend, beim zweiten Mal ist der Reiz dann schon nicht mehr so krass. Tendenz sinkend.
Natürlich freute ich mich über den MTV Award, vielleicht zehn Sekunden, doch als ich in Kopenhagen vor Ort mitbekam, was MTV dort für eine erbärmliche Show abzog, schwand meine kurze Anwandlung von Freude genauso schnell, wie sie gekommen war.
Als kleiner Junge hatte ich immer auf dem Sofa meiner Mutter gesessen, mit großen Augen die MTV Music Awards angesehen und die Stars wie Madonna, Michael Jackson oder die Backstreet Boys bewundert. Sie hielten die Trophäe in die Luft und alles sah so verdammt glamourös aus. Das hatte mich schon sehr beeindruckt. 15 Jahre später sollte ich also auch dort oben auf dieser großen Bühne stehen.
Im Vorfeld der Preisverleihung hatte MTV bei mir angefragt, ob ich nicht Lust hätte, an einem Roadtrip nach Kopenhagen teilzunehmen. Da ich mich mit Yoko, dem Moderator schon immer gut verstanden hatte, willigte ich ein. MTV hatte einen Porsche Magnum mit 450 PS organisiert und ich freute mich schon riesig darauf, die Kiste ordentlich zu treten.
Die Reise begann direkt vor meiner Wohnung. Meine Mutter packte uns aus ihrer Bäckerei noch ein paar frische Brötchen ein und ab ging die Post. Kaum waren wir auf der Autobahn, drückte ich aufs Gas. Der Redakteur, der auf der Rückbank chillte, wurde sichtlich nervös.
»Äh, Bushido, kannst du bitte nicht ganz so schnell fahren«, kam es von hinten.
»Wieso? Ich dachte, wir machen hier einen Roadtrip«, maulte ich.
»Hm, also vielleicht fährst du einfach nicht ganz so schnell, okay?«
»Was bedeutet für dich nicht ganz so schnell?«, raunzte ich genervt.
»Also 260 km/h ist eindeutig zu schnell!«
Trauer!
Mussten die mir ausgerechnet so einen Angsthasen in die Karre setzen. Das konnte ja wohl nicht wahr sein.
»Mann, ey, piss dich mal nicht ein, Alter!«, meinte ich zu ihm, doch keine Chance.
Es blieb mir nichts anderes übrig, als gute Miene zum bösen Spiel
zu machen. MTV hatte ihre coole Roadshow mit Bushido und ich musste im Schneckentempo durch die Landschaft gurken. So wurde aus dem krassen Roadtrip nichts anderes als eine gemütliche Kaffeefahrt von Berlin nach Kopenhagen. Mir wurde mal wieder aufs Neue klar, dass Fernsehen eben doch nur eine verlogene Scheinwelt ist. Manchmal vergesse ich das nämlich.
In Kopenhagen ging der Abtörn direkt weiter. Als wir in unserem Hotel ankamen, traf mich fast der Schlag.
»In was für einer Kaschemme habt ihr uns denn hier einquartiert? Das kann ja wohl nicht wahr sein!«, maulte ich verärgert zu meinem Angsthasen-Redakteur, der wie eine Ente mit den Armen wedelte, als wollte er mir signalisieren, dass er damit nichts zu tun hätte.
Selbst D-Bo, ein absolut bodenständiger Typ, der sich in all den Jahren auf Tour noch kein einziges Mal über ein schlechtes Hotel aufgeregt hatte, fand das unverschämt. Nyze musste sogar sein Zimmer wechseln, weil in der Toilette noch Kackspuren vom letzten Gast zu sehen waren. Das ging alles überhaupt nicht klar. Dazu kam, dass wir auch nicht in dem gleichen Hotel wie die internationalen Stars untergebracht waren, was mir von MTV im Vorfeld ganz anders kommuniziert worden war. Ich hatte mich schon so darauf gefreut, mit meinen Kumpels diese ganzen Ami-Idioten zu therapieren. Nix da! Für mich war die Party schon vorbei, bevor sie überhaupt begonnen hatte.
Ich fragte mich natürlich schon, warum dieser »Klassenunterschied« sein musste. Die Gewinner standen ja schon im Vorfeld fest. Da hätte man denen doch auch ein cooles Hotel buchen können. Von den deutschen Bands, die nominiert waren, kam nur Silbermond mit nach Kopenhagen. Das fand ich, ehrlich gesagt, auch etwas behindert. Ich würde niemals in ein anderes Land fahren, um an einer Award-Show teilzunehmen, wenn ich vorher schon weiß, dass ich nicht gewinne. Niemals.
Am nächsten Tag fand die Aufzeichnung der Verleihung statt und ich musste um acht Uhr aufstehen. Meine Laune war entsprechend im Keller. Verschlafen schaute ich aus dem Fenster auf die Straße. Es
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