Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bushido

Bushido

Titel: Bushido Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Fuchs-Gamboeck , Georg Rackow
Vom Netzwerk:
nicht!
    Ich habe mich für meinen Erfolg nie geschämt. Auch wenn in Afrika Menschen verhungern, baumeln Brillanten für 230000 Euro an meinem Handgelenk. Und jetzt? Wäre ich als kleiner Negerjunge in Somalia auf die Welt gekommen – das ist mir absolut bewusst –, hätte ich auf jeden Fall ein paar mehr Probleme. Die Sache ist nur die: Ich wurde als der geboren, der ich bin. Ich hätte auch ein Russe werden können, der irgendwo in Sibirien in einem Arbeitslager tote Vögel für Kamerateams und deren inszenierte Vogelgrippe-Reportagen aufsammelt. Das hätte durchaus passieren können. Ist es aber nicht. Was soll ich jetzt machen? Einen Verein gründen, damit irgendwelche Typen am Arsch der Welt Linsensuppe bekommen? Könnte ich, klar, aber dann wäre ich ein Opfer, weil ich das vernachlässigen würde, was ich als meine eigentliche Aufgabe betrachte.
    Du musst aus dem, was du mit auf den Weg bekommst, auch etwas Sinnvolles machen. Das mache ich, indem ich meine Freunde um mich versammle und den Leuten, die ich cool finde, durch meine Person oder meinen Einfluss weiterhelfe. Fast alle Typen, die mit mir zusammenarbeiten, sind auch Problemkinder irgendwie. Ich glaube, keiner von den Jungs hat noch ein normales Elternhaus. Entweder sind die Eltern schon tot oder geschieden oder reden nicht mehr miteinander. Diesen Freunden eine neue Familie, eine neue Homebase zu geben, ist mir wichtiger, als mein Geld zu spenden, wobei man noch nicht einmal die Garantie hätte, dass es überhaupt dort ankommt, wo es ankommen soll.
    Diese Einstellung hatte ich bereits, als ich noch zur Schule ging. Mir ging dieses ewige Gerede der Lehrer übelst auf den Sack. Ich habe schon immer gesagt: Nicht so viel reden, sondern handeln! Klar, ich könnte auch tolle Reden schwingen, aber würde davon ein hungerndes Kind in Afrika satt werden? Wohl kaum. Für mich waren diese Diskussionen die reinste Zeitverschwendung. Ich habe das auch offen zugegeben, woraufhin die Mädchen aus der ersten Reihe jedes Mal entsetzt die Augen verdrehten.
    »Anis, du herzloses Schwein!«, riefen sie dann.
    Um mich herum haben alle wie dumme gehirngefickte Lemminge mit dem Kopf genickt. Mir war das egal.
    »Wenn Ihnen die Dritte Welt so viel bedeutet«, fragte ich meine
Lehrerin, »was haben Sie denn persönlich dafür getan, an der Situation etwas zu ändern? Sind Sie schon mal nach Afrika gefahren und haben einen Trinkwasserbrunnen gegraben? Waren Sie schon in Rio de Janeiro und haben obdachlose Kinder vom Straßenrand aufgesammelt, damit sie nicht erschossen werden? Oder kann es vielleicht sein, dass Sie hier im reichen Deutschland sitzen und nichts als schlau daherreden?«
    Dann bekamen die Mädchen aus der ersten Reihe ihr Fett weg.
    »Und wenn ihr angeblich so traurig seid, dass diese armen Kinder nichts zu essen haben, warum verkauft ihr nicht eure teuren Markenklamotten und spendet das Geld?«
    Mit wenigen Worten hatte ich ihnen, meine Lehrerin eingeschlossen, ganz schnell den Wind aus den Segeln genommen. Dieses ständige heuchlerische Gehabe ging mir schon immer gewaltig gegen den Strich. Wäre ich immer mit dem Strom der Masse geschwommen und hätte ich nicht auf meine eigenen Gefühle gehört, wäre ich heute nicht Kingbushido. Das ist eine ganz einfache Rechnung. Ich will auch nicht vorgeben zu sein, was ich nicht bin. Ihr kommt damit nicht klar? Erzählt’s meinem Gürtel!
    Jeder Mensch hat eine moralische Verpflichtung gegenüber der Gesellschaft. Egal ob Künstler, Politiker, Bauarbeiter, Mutter, Vater oder Tochter. Alle müssen ihren Beitrag leisten. Personen, die in der Öffentlichkeit stehen, rücken natürlich eher ins Fadenkreuz der Kritik, das heißt, wenn sich ein Klempner einen Kinderporno aus dem Netz herunterlädt, wird das erst mal keinen interessieren, da er als graue Maus einfach in der großen Masse verschwindet. Wenn ich mir in der Videothek einen Liebesfilm ausleihe, steht am nächsten Tag in der Zeitung, dass ich Vorbereitungen zu meiner anstehenden Hochzeit träfe. Viel interessanter ist doch die Frage, was die Menschen machen, die sich täglich durch die Schlupflöcher unserer Gesellschaft hangeln. Diplomaten zum Beispiel werden niemals von der Polizei durchsucht. Glaubt ihr ernsthaft, dass die nur Akten in ihren Koffern transportieren? Pfarrer haben bei uns noch immer den Status von Heiligen, obwohl manche von ihnen wahrscheinlich die krassesten Undercover-Sex-Gangster sind. Politiker und Polizisten haben auch einen

Weitere Kostenlose Bücher