Bushido
Musikanwalt
März 2004. Echo-Verleihung in Berlin. Ich war mit Nina MC verabredet. Nina hatte mit der Hamburger Hip-Hop-Formation Deichkind im Jahr 2000 mit Bon Voyage einen kleinen Hit gehabt, viel mehr kam seitdem nicht mehr von ihr. Das sollte sich ändern. Für ihr Debütalbum, das über Universal erscheinen sollte, nahmen wir ein Feature auf – übrigens über einen Beat der Musikproduzenten Beathoavenz. Wie auch immer, das Album wurde nie veröffentlicht, weil sie kurze Zeit später, wie alle erfolglosen deutschen Hip-Hopper, von ihrer Plattenfirma gedroppt wurde. Der gleiche A&R, der sie rausschmiss, gab mir später einen Deal. Schon witzig. Nina und ich chillten jedenfalls an der Bar, als sie mir einen etwas älteren Typen mit Brille, Anzug und lichtem Haar vorstellte.
»Bushido, das ist Heiner«, meinte sie. »Heiner ist Musikanwalt.«
Aha. Interessant. Wir schüttelten Hände, plauderten über irgendwas Belangloses und nach fünf Minuten gab mir dieser Heiner seine Visitenkarte. Ich steckte sie in die rechte Arschtasche und hatte sie im gleichen Moment auch schon wieder vergessen.
Mittlerweile hatte ich seit Wochen keinen persönlichen Kontakt mehr zu Aggro Berlin. Fünf lange Monate versuchte ich verzweifelt, aus meinem Vertrag rauszukommen, aber sie ließen mich nicht weg. Ich traf mich noch ein letztes Mal mit Halil im Barcomi’s, einer kleinen Kaffeerösterei auf der Bergmannstraße in Kreuzberg, um ein für alle Mal reinen Tisch zu machen. Ich war bereit, ihnen alles zu geben, was ich besaß: die kompletten Rechte an Carlo Cokxxx Nutten und Vom Bordstein bis zur Skyline plus zukünftige Lizenzeinnahmen. Alles zusammen hatte einen Wert von etwa 50000 Euro. Das war der Preis für meine Freiheit. Ich fand das fair. Doch sie lehnten ab. Mal wieder.
Dann erinnerte ich mich an diesen Musikanwalt, fand sogar noch seine Karte in meiner Anzughose und rief ihn an. Ich schilderte ihm meine Situation, schickte ihm eine Kopie meines Vertrages und be-auftragte ihn, sich um diese Angelegenheit zu kümmern. Eine Woche später rief er zurück – und hatte schlechte Neuigkeiten. Aggro Berlin forderte eine Beteiligung an meinen kommenden vier Alben, die wahrscheinlich etwa 400000 Euro betragen hätte.
Das kam für mich natürlich nicht in Frage. Heiner machte mir zwar keine supergroßen Hoffnungen, aber er erzählte mir, dass der Künstlervertrag zwischen Xavier Naidoo und seiner damaligen Plattenfirma 3P von einem Gericht für sittenwidrig erklärt wurde. Eventuell gäbe es bei mir auch die Möglichkeit, meinen Vertrag für nichtig zu befinden.
»Bushido, schreib mir doch mal auf, welche Bedingungen du für fair er-
achten würdest, um aus dem Vertrag rauszukommen«, meinte Heiner.
Ich folgte seinem Wunsch, machte mir aber nichts aus diesen Versprechungen. Ich hatte davon schon zu viele gehört und wurde am Ende doch immer nur enttäuscht.
Im Mai spielten Fler und ich ein Konzert im Vorprogramm von Erick Sermon im Kölner E-Werk. Wen traf ich hinter der Bühne? Halil. Natürlich war er nicht wegen mir oder Fler da, sondern um für Sido ein Feature mit Mister EPMD zu klären. War ja klar! Ich ging auf ihn zu und stellte ihn an die Wand.
»Du willst also 400000 Euro von mir?«, brüllte ich Halil an.
Knapp antwortete er, das sei jetzt Sache unserer Anwälte.
»Verpiss dich, du ... , aber ganz schnell!«
Dann verjagte ich Halil aus dem Backstage-Bereich. Er kam nicht mehr zurück.
Ich hatte endgültig genug. Ich war zwar der Meinung, dass man seine Probleme innerhalb der Familie regeln sollte, aber wenn die Familie nicht mehr zusammenhält, muss man sich eine andere Lösung überlegen. Ich hatte auch immer zu meinem Freund Hamoudi gesagt, dass es mit Aggro Berlin keine Probleme gäbe, weil ich bis zum Schluss an ein gutes Ende glaubte. Doch als ich die zwei Jahre noch einmal gedanklich Revue passieren ließ, verlor ich auch diese Illusion. Hamoudi schlug vor, einmal mit seinem Cousin Arafat zu reden. Vielleicht würde ihm ja etwas einfallen, um beide Seiten an einen Tisch zu bekommen und sich doch noch gütlich zu einigen. Ich willigte ein. Was hatte ich schon zu verlieren?
Arafat der Große
Hamoudi machte einen Termin mit Arafat und nahm mich am nächsten Tag mit ins Café Al Bustan in die Katzbachstraße 30 nach Kreuzberg. Als kleines Kind war ich oft daran vorbeigegangen, hatte beobachtet, wie diese Männer Wasserpfeife rauchten, ihre Geschäfte machten und immer unter sich blieben. Das Café ist in
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