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Bushido

Bushido

Titel: Bushido Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Fuchs-Gamboeck , Georg Rackow
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gefährlich werden, geriete er an die falschen Leute.
    Meine Mutter erzählte mir neulich, dass mein Bruder mit dem Gedanken spielte, zu seinem Vater nach Aserbaidschan zu ziehen, der dort eine kleine Import-Export-Firma betreibt. Sercan könnte dort arbeiten, um seinen Vater besser kennenzulernen. Als ich das hörte, ging ich sofort zu meinem Bruder, packte ihn am Kragen und schmiss ihn mit einem lauten Knall gegen die Wand.
    »Was bist du für ein Spast?«, schrie ich ihn an. »Du bleibst schön in Berlin bei deiner Mutter, wo du hingehörst!«
    »Ja, aber warum darf ich nicht zu meinem Vater?«, fragte er verdutzt.
    »Du kannst deinem Vater einen schönen Gruß von mir ausrichten, dass er hier leider nichts mehr zu melden hat. Verstanden?«
    »Ja, aber…«, stotterte er.
    »Nichts aber. An dem Tag, an dem er unsere Wohnung verlassen hat, sind auch seine Ansprüche flöten gegangen«, erklärte ich und ließ ihn los. »Wenn er mit dir zusammen sein will, dann geht das nur, wenn er auch mit deiner Mutter zusammen sein will. Wenn das für ihn nicht machbar ist – Pech! Eigentlich müsste ich dir die Fresse polieren!«
    »Warum das denn wieder?«
    »Alleine, weil du ernsthaft überlegst, deine Mutter zu verlassen und zu deinem Vater zu ziehen, du Weichei.«
    »Hey, wie redest du mit mir?«
    »Halt den Mund, du Idiot!«, schnauzte ich ihn an. »Die Angelegenheit ist hiermit beendet. Ich möchte kein Wort mehr darüber hören.«
    Es gibt Situationen im Leben, in denen man sich eben entscheiden muss. In seinem Fall zwischen seiner Mutter und seinem Vater. Sercans Problem ist, dass er immer versucht, es allen recht zu machen. So funktioniert die Welt aber nicht. Wie gesagt, wir haben einfach nicht die gleiche Wellenlänge. Für mich stünde diese Frage nie ernsthaft zur Debatte.
    Mein Bruder und ich haben die gleiche Mutter, aber verschiedene Väter. Sein Vater, also mein Stiefvater, hat zwölf Jahre bei uns gewohnt. Ich kenne ihn besser als meinen leiblichen Vater. Er ist halb Türke und halb Kurde. Seinetwegen kann ich auch perfekt türkisch sprechen, was in Berlin ja ziemlich praktisch ist. Er war zwar im Prinzip immer für mich da, vor allem, als ich noch klein war, und ich habe ihn als Respektsperson anerkannt, aber als Vaterersatz sah ich ihn nie. Er war eben der neue Mann meiner Mutter. Was sollte ich schon machen? Ich nannte ihn nie Papa.
    Als ich elf Jahre alt war, bekam er einen Job in Bad Soden, einem kleinen Ort in der Nähe von Frankfurt am Main. Deshalb mussten wir aus Berlin wegziehen. Was für ein Abtörn! Mir war dort richtig krass langweilig. Die anderen Kinder aus meiner Klasse waren durch die Bank alles Opfer, mit denen ich überhaupt nichts anfangen konnte. Ich meine – hallo? Ich bin Berliner und fand mich eben auch damals schon ein bisschen cooler als die. Aus purer Langeweile meldete ich mich beim Tischtennisverein an. Irgendwie musste ich mir ja die Zeit vertreiben. Ich konnte auch sofort anfangen und wurde auf Anhieb zweiter Mann unseres Teams. Beim Tischtennis bilden immer vier Personen eine Mannschaft. Ich war sofort der Zweitbeste, obwohl ich noch nicht sonderlich viel Übung hatte. Später, in Berlin, spielte ich auch mal kurz im Fußballverein – in der D-Jugend beim Wilmersdorfer FC. Sport zählte aber nie zu meinen großen Stärken. Das war mir zu anstrengend. Heute beschränken sich meine sportlichen Aktivitäten auf mein Schlafzimmer. Manchmal geht es allerdings auch da zum Auswärtsspiel. Hehe.
    Zum Glück dauerte der Ausflug in die hessische Provinz nur ein Schul-
jahr. Ich kann mich nicht mehr daran erinnern, ob mein Stiefvater wieder rausgeschmissen wurde oder in Berlin einen besseren Job bekam. Wie gesagt, ich interessierte mich nicht sonderlich für ihn. Was ich ihm aber für alle Zeiten übel nehmen werde, ist, dass wir wegen des Umzugs nach Bad Soden den Berliner Mauerfall nicht direkt vor Ort mitbekamen, sondern uns dieses überkrasse Ereignis im Fernsehen angucken mussten. Ich hätte das schon gerne hautnah miterlebt. Immerhin war ich bereits zwölf Jahre alt. Ganz ehrlich, mich hat das damals schon krass interessiert.
    »Boah, Kacke, kommen diese ganzen Ossis jetzt zu uns nach Berlin?«, fragte ich meine Mutter. Ich sah ja nur die Bilder aus dem Fernsehen, und diese Typen sahen halt alle übelst atzig aus mit den Trabbis, den Vokuhila-Frisuren und ihrem seltsamen Dialekt. Das war schon witzig irgendwie.
    Zurück in Berlin fingen dann die Probleme zwischen meiner Mutter und

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