Bushido
nicht so viel mit als Baby. Unsere Familie war also von Anfang an schon nicht ganz normal und eben etwas anders als die meisten anderen. Mit meinen beiden Cousins mütterlicherseits hatte ich nie viel zu tun. Das wollte ich auch gar nicht. Der Einzige, mit dem meine Mutter und ich immer cool waren, war mein Opa. Er hatte nichts dagegen, dass meine Mutter ihren eigenen Weg ging. Er war einfach ein sehr chilliger alter Mann, der seinen Lebensabend genießen und sich keinen unnötigen Stress machen wollte. Leider hatte er das Pech, dass meine Oma so ein gemeiner Drachen war. Sie hat ihm das Leben regelrecht zur Hölle gemacht. Immer wenn wir sie besuchten, brachten wir ihm heimlich Zigaretten mit, die er dann genüsslich beim Spazierengehen rauchte. Beim Abendessen zwinkerte er mir dann zufrieden zu. Ich glaube, die zwei oder drei Tage, die wir im Jahr bei ihm verbrachten – immer an seinem Geburtstag – waren die schönste Zeit für ihn. Leider ist er viel zu früh gestorben. Ich war auch auf seiner Beerdigung. Die erste meines Lebens. Da war ich 14 Jahre alt. Mein Opa war so cool. Ganz ehrlich: Er fehlt mir.
Meine Oma
Heute hat meine Mutter den Kontakt zu ihren Geschwistern komplett abgebrochen. Ich will mit denen auch nichts mehr zu tun haben. Ist ja klar, dass ich auf der Seite meiner Mutter stehe. Meiner Oma habe ich aber mittlerweile verziehen. Ich meine, sie ist eine alte
Frau. Willst du eine 80-jährige Omi immer noch hassen? Ihr Problem war, dass sie nie gelernt hatte, ihre Gefühle zu zeigen. Entsprechend distanziert hat sie auch ihre Kinder erzogen. Jetzt, wo sie so alt ist und ihr Ende naht, kommen all die Gefühle, die sie in den letzten Jahrzehnten nie gezeigt hat, einfach so aus ihr herausgesprudelt.
Sie ist wie ein Wasserfall – ständig am Flennen. Sie würde mich am liebsten jeden Tag sehen und mich drücken und mich in die Backen kneifen. Was Omis halt so machen. Meine Mutter hält sie mir aber glücklicherweise vom Hals, weil sie genau weiß, dass ich das auf Dauer nicht ertragen könnte. Eigentlich finde ich es ja ganz süß. Meine Oma ist eben eine Frau, die noch den Zweiten Weltkrieg miterlebt hat, und wenn sie sieht, dass aus ihrem Enkel ein krasser Popstar geworden ist, dann muss das für sie unfassbar sein. Diesen krassen Gegensatz können wir heute ja nicht mehr nachvollzie-
hen. Vielleicht denkt sie sich sogar manchmal, dass sie früher aufs falsche Pferd gesetzt hat. Kann sein, dass sie deswegen heute so extrem sentimental ist, meiner Mutter und mir gegenüber. Wenn ich mir meine Cousins so angucke, ist diese Theorie noch nicht mal so unwahrscheinlich.
Meine Oma fragt mich auch oft, ob sie uns in Berlin besuchen kommen darf. Sie weiß ganz genau, wenn ich nicht will, dass sie kommt, dann kommt sie auch nicht. Ich mache mir dann immer einen Spaß daraus und nehme sie in den Arm.
»Oma, kommste bald wieder zu uns, ja? Wir freuen uns schon aufs nächste Mal.«
»Ja, wenn ich darf«, antwortet sie dann glücklich.
Es ist doch ein schönes Gefühl, einer alten Frau ein Strahlen zu entlocken. Vor allem, weil ich weiß, dass es jetzt ehrlich gemeint ist. Neulich erst hat mich daraufhin meine Mutter zur Seite genommen. »Kind, hör doch mal auf, sie immer einzuladen.«
»Mama, es geht hier um deine Mutter. Was ist los mit dir?«
»Ah ja, du weißt doch genau, dass ich keinen Bock auf die habe! Jedenfalls nicht so oft. Das ist auf Dauer echt anstrengend.«
»Hm«, schmunzelte ich. »Stell dir mal vor, irgendwann sagt mein Sohn zu dir: Oma, komm doch mal vorbei! Und ich sag zu ihm: Ey, lass mal. Meine Mutter nervt mich! Was ist das denn für eine Kacke?«
Zuerst hat meine Mutter kurz überlegt, dann haben wir herzlich darüber gelacht.
Ich bin der Einzige aus meiner Familie, der so richtig was aus seinem Leben gemacht hat. Die anderen haben sich immer mehr oder weniger durchfüttern lassen. Wie auch immer, mich geht das alles nichts mehr an. Jeder wie er möchte. Sie haben wirklich Glück, dass ich mich in ihr Leben nicht mehr einmische, sonst würde das da unten im Süden ganz anders laufen.
Meine Mutter hat noch nie etwas von meiner Oma angenommen. Noch nie! Nicht einmal das kleinste Geschenk. Wir haben uns immer alles selbst gekauft. Meine Mutter hat immer gearbeitet. Sogar als mein Vater noch bei uns gewohnt hat. Ihr ganzes Leben lang hat sie für uns geschuftet. Manchmal hatte sie drei Jobs gleichzeitig, damit wir überhaupt irgendwie über die Runden kamen. Als die DDR noch
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