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Bushido

Bushido

Titel: Bushido Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Fuchs-Gamboeck , Georg Rackow
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auch, dass ich mit meinem Vater nichts mehr zu tun haben wollte. Andere waren der Meinung, man müsste seinen Vater ehren, komme was da wolle. So eine verfickte Scheiße! Für mich gibt es keinen Vater. Schon aus Respekt meiner Mutter gegenüber. Was wäre ich für ein Sohn, würde ich mit dem Mann chillen, der meine Mutter grundlos verprügelt hatte? Meine Mutter hatte sich den ganzen Tag um ihre Familie, ihre Kinder gekümmert, während er nur soff und das Haushaltsgeld verprasste. Und als Dank für ihre Treue bekam sie regelmäßig Schläge. Nein, ich könnte meiner Mutter niemals mehr in die Augen sehen, wäre ich heute cool mit meinem Vater. Unsere Geschichte hatte leider kein Happy End.
    »Das ist also mein Vater«, sagte ich seufzend zu D-Bo. Wir standen immer noch vor seinem Haus, als es plötzlich aus mir herausbrach. Minutenlang weinte ich, bis ich nichts mehr fühlte. Mit der letzten Träne konnte ich das Kapitel dann auch für mich endgültig abschließen. Ich startete den Motor und wir fuhren zurück nach Berlin. Meiner Mutter erzählte ich nie etwas von diesem Besuch.
    Als sie endlich die Kraft gefunden hatte, meinen Vater aus unserer Wohnung zu werfen, hatte ich gerade meinen vierten Geburtstag hinter mir. Später habe ich in seinem Therapiebuch gelesen, dass er alles darauf schob, dass er als Ausländer nach Deutschland kam und niemanden kannte, keine Freunde hatte und so seinen Kummer und sein Heimweh im Alkohol ertränkte. Dabei gab es absolut keinen Grund für ihn, zum Alkoholiker zu werden. Mein Vater war immerhin ein Mitarbeiter der tunesischen Botschaft – ein ganz hohes Tier mit Diplomatenstatus. Einer meiner Onkel ist ein Polizeipräsident in Tunesien. In diesen Ländern bedeutet das ja wesentlich mehr als bei uns. Im Libanon zum Beispiel hat der Polizeipräsident mehr Macht als der Staatspräsident, weil das ganze Militär hinter ihm steht. So ein Typ war mein Vater. Super Elternhaus, super Job und trotzdem wurde aus ihm ein Junkie. Mit solchen Leuten hatte ich noch nie Mitleid. Egal ob Heroin-, Kokain- oder Alkohol-Junkies oder diese Metha-
don-Typen – für mich sind das alles Opfer. Ich bin der Meinung, dass man mit wirklichem Willen auch eine Drogensucht bekämpfen kann. Dabei ist es egal, aus welchem Land man kommt, in welcher gesellschaftlichen Schicht man aufwächst oder welchen Beruf man erlernt hat. Es gibt immer die Möglichkeit, etwas aus seinem Leben zu machen. Immer. Wer das nicht will, kann von mir aus von der Klippe springen. Die meisten sind leider zu egoistisch dafür.
    Meine Mutter hat die Illusion schon recht früh verloren, mir irgendwelche Märchengeschichten über meinen Vater zu erzählen. Als ich noch klein war, versuchte sie es zwar, aber ich habe sie immer sofort durchschaut, wenn sie mir was vormachen wollte. Dafür war ich viel zu clever. Wie heißt es so schön: »Einen Dieb kannst du nicht be-klauen.« Ich habe auch schon immer besser geschwindelt als sie. Vielleicht liegt das an ihrem Nachnamen. Meine Mutter ist nämlich eine geborene Engel. Und Engel können bekanntlich nicht lügen.
    Ich habe mit ihr noch nie über meinen Vater gesprochen – bis vor Kurzem. Ich wollte ihr diese Peinlichkeit ersparen, denn sie hätte wahrscheinlich versucht, die ganze Geschichte zu verharmlosen. Nein, das hat mich nie interessiert. Mit einem vergewaltigten Mädchen könnte ich auch nie über ihre Vergewaltigung reden. Ich würde das gar nicht hören wollen. So war das auch mit meinem Vater. Alles, was auch nur irgendwie mit ihm zu tun hatte, wollte ich gar nicht wissen.
    Kennengelernt haben sich meine Mutter und mein Vater in einem Asylantenheim in der Nähe von Würzburg. Meine Mutter hat dort immer gechillt, was wiederum ihre Mutter, also meine Oma, überhaupt nicht cool fand. Meine Familie aus Würzburg ist streng katholisch und als die mitbekamen, dass meine Mutter ständig mit diesen Ausländern abhing, fielen die fast vom Glauben ab. Als 19-jähriges Mädchen konvertierte sie auch noch zum Islam, was das Fass schließlich zum Überlaufen brachte. Na ja, kann man sich ja vorstellen, wie das gewesen sein muss, damals im konservativen Bayern der 70er-Jahre. Als sie dann auch noch von einem Araber ein Kind erwartete, war alles vorbei. Da wurde sie endgültig aus ihrer Familie verbannt. Aus diesem Grund wurde ich auch nicht in Würzburg, sondern in Bad Godesberg in der Nähe von Bonn geboren. Von dort ging es dann weiter nach Berlin. Ich bekam von dieser Odyssee natürlich

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