Bushido
sollten. Das kam für mich natürlich überhaupt nicht in Frage.
Bullen auf meiner Bühne? Niemals. Ich war mir sicher, dass sich das Publikum durch die Anwesenheit der Polizei erst recht provoziert gefühlt hätte. Wie gesagt, ich konnte ja nicht ahnen, dass die Leute so krass durchdrehen würden.
Zusammen mit Saad betrat ich die Bühne. Wir spielten auf der »Alternastage« vor etwa 8000 Leuten. Fans waren das nicht. Ganz ehrlich: Es gab dort keinen Einzigen, der mich cool fand. Es war die Hölle.
Ich stand keine zwei Minuten auf der Bühne, als schon die ersten Gegenstände in meine Richtung flogen. Das war richtig anstrengend, weil ich während des Rappens immer irgendwelchen Sachen ausweichen musste: Flaschen, Geldmünzen, halbierte Melonen, Eier, Steine, Hamburger, Döner, Bratwürste – die haben wirklich alles geschmissen, was nicht festgeschraubt war. Zu krass.
Wenn man ein normales Konzert spielt und ein einzelner Typ wirft zum Beispiel mit einem Ei nach dir, dann ist das schon sehr erniedrigend. Du stehst dann auf der Bühne und überlegst, was du jetzt tun sollst: Springe ich in die Menge, boxe ihn um und mache weiter wie ein Spast? Breche ich das Konzert ab wie ein Spast? Oder reagiere ich überhaupt nicht und bin erst recht ein Spast? Egal, für welche Variante man sich entscheidet, in so einer Situation ist man immer der Depp. Popstar zu sein, ist halt nicht einfach.
Mein Auftritt dauerte 40 Minuten und die Leute hatten sichtlich Spaß daran, mich die komplette Zeit durchgängig zu verarschen. Ein paar Jungs haben sich sogar ausgezogen, sich rücklings auf die Schulter ihrer Kumpels gesetzt und ihre nackten behaarten Arschlöcher so weit auseinandergerissen, dass ich am anderen Ende wieder rausgucken konnte. Da waren 17-jährige Mädchen, so hässliche wabbelige Gruftiweiber, die mit ihrem Leben nicht klarkommen, sich von der Welt verraten fühlen und mir dann mit ihren fetten Wurstfingern den »Ficker« zeigten. Am liebsten hätte ich diesen grunzenden Schweinen ihre Fresse poliert, aber bei wem hätte ich anfangen sollen? Die waren ja überall.
Nach ungefähr der Hälfte der Show hielt ein Typ, der vielleicht in der zehnten Reihe stand, ein Schild hoch, mit der Aufschrift: »Bushido, deine Mutter ist…« Der Satz ging natürlich noch weiter, aber ich möchte ihn einfach nicht in meinem eigenen Buch stehen sehen. Zu hart – ehrlich. Ich holte tief Luft, atmete kräftig durch und versuchte, diesen Penner zu ignorieren. Aber was machten die Leute? Sie drehten sich zu ihm um und applaudierten – während meines Auftrittes. Auf der anderen Seite, zugehört hat mir ja sowieso keiner.
Als ich da oben stand, auf der Bühne, und mir diese Vögel so anguckte, fragte ich mich schon, was sie wohl motivierte, mich dermaßen bösartig fertig zu machen. Ich hatte mich ja nie negativ gegenüber der Rocker-Szene geäußert. Im Gegenteil, ich bin ja selbst ein großer Rammstein-Fan. Wäre ich beim Christopher-Street-Day aufgetreten und die Leute hätten so eine Aktion gebracht, okay, das hätte ich absolut nachvollziehen können – aber so? Nicht, dass wir uns falsch verstehen, ich möchte mich hier für nichts rechtfertigen. Ich will es einfach nur verstehen.
Selbst wenn ich auf der Hauptbühne aufgetreten wäre, meinetwegen vor den Sportfreunden Stiller und Depeche Mode, hätte ich verstehen können, dass die Leute sich durch meine bloße Anwesenheit provoziert gefühlt hätten. Aber auf der »Alternastage« waren ja nur so richtig krasse Brocken am Start. Vor mir spielte die Band Cradle of the Filth, übelst übertriebener Untergrund-Hardcore-Metal-Shit. Und die Fans erst: Alles so komische Ich-hasse-Licht-Gruftis. Genau diese Hurensöhne, die sich selbst so krass verfolgt fühlen und ihren Sinn des Lebens darin sehen, die Gesellschaft zu hassen, massakrieren mich, einen Typen, der eigentlich ähnliche Erfahrungen gemacht hat wie sie. Das will auch heute noch einfach nicht in meinen Kopf. Ganz ehrlich: Mich hat das tagelang beschäftigt. Mein Herz ist ja nicht komplett aus Stein. Auch wenn das viele glauben.
Das Absurde an der ganzen Geschichte war auch, dass wir vor unserem Auftritt noch ganz normal auf dem Festivalgelände herumliefen und uns T-Shirts kauften, die wir sogar später auf der Bühne getragen haben. DJ Stickle bekam ein Slayer-T-Shirt und ich eins von Guns N’ Roses. Die Leute waren total nett, unterhielten sich mit uns, wollten Autogramme und machten Fotos. Dann standen wir auf der
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