Bushido
Bühne und alles war anders. Als hätten sie einen Schalter umgelegt.
Aus heutiger Sicht glaube ich, dass wir uns durch all die Erfolge, die Preise und Auszeichnungen anscheinend zu sicher fühlten. Nach dem Motto: »Bushido kann machen, was er will. Er ist der King. Und der King ist unantastbar.« So einfach ist das Leben aber nicht. Diese 40 Minuten waren die Hölle meines Lebens, aber zum Glück passierte es bei Rock im Park und nicht bei einem Hip-Hop-Festival wie dem »Splash!« oder dem Hip-Hop-Open in Stuttgart. Wäre nach mir zum Beispiel Samy Deluxe aufgetreten und die Leute hätten wieder angefangen zu jubeln, dann hätte ich mir gleich die Kugel geben können. Aber so? Abhaken und aus seinen Fehlern lernen.
Später erinnerte ich mich an ein Konzert, das ich mal in Stuttgart gegeben hatte, zu dem auch ein paar Gruftis gekommen waren. Sie standen mit ihren Kreuzen und Kutten und ihrer Scheißschminke im Gesicht direkt in der ersten Reihe und hatten eine gute Zeit – wie alle anderen auch. Sie konnten sogar mehrere Songs auswendig mitsingen. Mich hat das wirklich beeindruckt, denn als Mega-Grufti zu meinem Konzert zu kommen, da gehört schon auch Mut dazu. Ich stand auf der Bühne und gab ihnen genau dafür Applaus.
»Hammer, dass ihr da seid«, sagte ich durchs Mikrofon. »Euch feier ich heute Abend am meisten. Ihr seid echte Atzen.«
Was geschah? Der ganze Saal jubelte ihnen zu. Aber mich nennen sie intolerant. Manchmal frage ich mich wirklich, ob ich deswegen lachen oder weinen soll.
Eine Runde Klartext
Universal gab während der Popkomm 2006 einen großen Empfang. Alle waren gekommen. Ich könnte jetzt irgendwelche Namen auflisten, aber da das eindeutig zu lange dauern würde, behaupte ich einfach mal, dass alle, die in Deutschland musikmäßig was zu melden hatten, auf dieser Party waren. Natürlich nur, um umsonst Champagner schlürfen zu können.
Wer mich kennt, weiß, dass ich während meiner ganzen Zeit bei Universal auf offiziellen Veranstaltungen oder Preisverleihungen noch nie Stress mit irgendjemandem angefangen habe. Wenn man mich einlädt, verhalte ich mich auch dementsprechend. Meine Mutter hat mich schließlich gut erzogen. Doch auf der Universal-Party konnte ich mich nicht zurückhalten. Ich versuchte es, aber der Teufel in mir hatte Oberhand.
Mein Anwalt Heiner hatte sich an dem Abend mit Sahara, einer A&R-Truller verabredet. Schließlich vertritt er ja nicht nur mich, sondern auch andere Klienten aus der Musikbranche.
»Mach ruhig nebenbei dein Ding mit den Leuten«, meinte ich zu ihm. »Ich habe damit kein Problem.«
Das hatte ich wirklich nicht.
»Ich weiß, das sind deine Mandanten«, fuhr ich fort, »aber verlange nicht von mir, dass ich meine Klappe halte, wenn mich einer dieser Vollidioten dumm anlabert.«
Heiner nickte.
Ich glaube, er hatte schon eine Vorahnung, als ich ihm diese kleine Ansage machte.
Ich habe auf solchen Veranstaltungen noch nie den Harten geschoben. Warum sollte ich auch vor irgendwelchen Musikmanagern herumprahlen? Weil ich Bushido bin? So war ich nicht und so werde ich auch nie sein. Wenn ich bei fremden Leuten bin, rede ich auch nicht darüber, wie viele Platten ich verkaufe, wie hoch mein Kontostand ist, wie groß mein Haus ist oder wie viele Brillanten an meinem Hand-
gelenk baumeln.
Das Erfolgsprojekt Bushido ist Thema in meinen vier Wänden und damit basta. In der Öffentlichkeit kann ich mich meinetwegen über das letzte Bundesligaspiel von Hertha oder die neueste Staffel 24 unterhalten – alles kein Problem – Hauptsache, nicht übers Geschäft.
Wir chillten also und redeten über dies und das, na ja, dämlicher Small Talk eben. Ich drehte mich zur Seite, um mir eine neue Cola zu holen – und wem laufe ich direkt in die Arme? Dieser Sahara. Das hatte mir gerade noch gefehlt. Hoffentlich quatscht die Olle mich jetzt nicht dumm an, dachte ich. Nicht für mich. Für sie.
Um mein Verhältnis zu dieser Frau zu erklären, muss ich etwas weiter ausholen. Nachdem ich Aggro Berlin verlassen und als Künstler bei Universal unterschrieben hatte, ging das große Feilschen um Bushido, den Autoren, los. Eine Plattenfirma und ein Musikverlag sind ja zwei verschiedene Paar Schuhe, die im Prinzip nichts miteinander zu tun haben. Ausgelöst durch den enormen Erfolg von Sidos Maske-Album hatten nämlich auch die anderen großen Plattenfirmen wieder angefangen, nationale Rapper zu signen. Das Wettbieten konnte also beginnen. Die haben damals richtig
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