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Bußestunde

Bußestunde

Titel: Bußestunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Dahl
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beiden Helfer trugen Kopfschals. Das war in Bagdad kein ungewöhnlicher Anblick, und da das Gebäck vor Bakterien geschützt werden musste, waren die Schals gänzlich unverdächtig.
    An diesem Tag war alles wie gewöhnlich. Rawan Fahaidawis Backwarenauto rollte durch Bagdad. Es war eine Stadt, die aus einem Albtraum zu erwachen versuchte, die versuchte, aus ihren Ruinen neu geboren zu werden. Es war eine höllische Stadt, in der man jeden Augenblick sterben konnte. Die mit Abstand gefährlichste Stadt der Welt.
    Das Backwarenauto erreichte den ersten Posten an der Mauer, die das amerikanische Militärhauptquartier umgab. Rawan Fahaidawi wusste, dass es noch drei weitere Kontrollposten gab, einer strenger als der andere, bevor man in die Nähe des inneren Kerns gelangte. Neu eingetroffene Militärpolizisten landeten zunächst ganz außen, am dichtesten am realen Chaos Bagdads, und je länger man es im Irak ausgehalten hatte, desto näher gelangte man an den inneren Kern. Die ersten Wachposten waren immer die nervösesten. Die am äußersten Vorposten.
    Normalerweise dauerte die Runde des Backwarenautos im Inneren des Hauptquartiers eineinviertel Stunden. Es gab hier zahlreiche Abteilungen, viele kleine Imbisse und Marketendereien, viele Amerikaner hatten ihre Baklava und Halwa lieben gelernt, ihr Katayef und ihr Basbousa und ihr Knafeh. Aber normalerweise waren sie auch zu dritt bei der Auslieferung des Gebäcks. Heute war Rawan Fahaidawi allein. Seine beiden Mitarbeiter im Inneren des Lieferwagens hatten anderes zu tun.
    Heute war er gezwungen, sehr, sehr schnell zu arbeiten.
    Doch das hatte er auch vorher schon geschafft.
    Der Lieferwagen passierte Wachposten um Wachposten, es war wie beim Häuten einer Zwiebel, nur dass es im Unterschied zur Zwiebel hier einen Kern gab, ein eindeutiges Zentrum. Und das war groß. Deshalb hatte das Auto die Erlaubnis, eineinviertel Stunden auf dem Gelände zu bleiben. Aber nicht länger.
    Rawan Fahaidawi schickte seine Mitarbeiter durch den gewöhnlichen ersten Eingang. Sie trugen jeder einen honigtriefenden Karton. Er schickte ihnen eine verärgerte Geste nach, die überlegene Handbewegung eines Chefs, und trug seinen eigenen Karton in eine andere Richtung.
    Die beiden Mitarbeiter gelangten in einen Korridor. Nach einer Weile stießen sie auf eine Toilette. In deren Innerem gab es sechs Toilettentüren. Die hinterste davon war mit Schildern blockiert, auf denen mehrfach »Out of order« zu lesen war. Außerdem war sie verschlossen, und einer der Mitarbeiter steckte einen Schlüssel in das obere Schloss und schloss sie auf. Beide Mitarbeiter drängten sich in den kleinen Toilettenraum. Es stank fürchterlich. Das ganze Klobecken war gleichsam von Diarrhö überzogen. Der Jüngere der beiden zuckte zurück.
    »Es bedarf einiger Anstrengungen, um die Leute dazu zu bringen, sich fernzuhalten«, sagte der Ältere auf Schwedisch. Dann schob er den honigtriefenden Karton in die Ecke, hob den Deckel der Spülvorrichtung an, fischte einen Plastikbeutel aus dem wassergefüllten Inneren des Beckens, entnahm ihm zwei Pistolen, reichte eine davon dem jüngeren Mitarbeiter und zog sich mit einem eleganten Schwung den Bäckergehilfenkaftan vom Leib, unter dem eine Uniform mit ziemlich vielen Sternen zum Vorschein kam.
    Tore Michaelis war als amerikanischer Oberst zweifellos ungeheuer überzeugend. Er steckte die Waffe ins Holster und nickte dem jüngeren Mitarbeiter zu, der etwas mehr Mühe hatte, sich des Kaftans zu entledigen. Als der gefallen war, zeigten sich auf Paul Hjelms Uniform entschieden weniger Sterne. Aber auch ziemlich viele.
    Sie verließen die Toilette und passierten eine Reihe nicht besetzter Sicherheitskontrollen. Hjelm hatte den Eindruck, dass sie eigentlich besetzt sein sollten. Er warf Tore Michaelis einen fragenden Blick zu.
    Der flüsterte: »Ein Zeitfenster von einer Stunde. Es kostet einiges, aber das ist es wert.«
    Hjelms Blick schweifte zur Decke. Er hatte das Gefühl, dass überall Überwachungskameras waren.
    Michaelis lächelte nur, als er Hjelms Blick sah.
    Sie gelangten an eine letzte Tür, die mit einem komplexen elektronischen Schließmechanismus versehen war.
    Tore Michaelis bekam sie auf, und sie waren drinnen.
    »Hier können wir freier reden«, sagte er.
    Es war ein gut gefüllter, aber ziemlich kleiner Raum, der an den Kontrollraum in einem Fernsehstudio erinnerte. Mischpulte, Kontrolltafeln, Tastaturen, Fernbedienungen. Und zahllose Monitore. Eine ganze

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