Butenschön
schließlich arbeitete Fatty in einem.
Eva antwortete für ihn: »Er hat sie von seinem Opa.«
»Von dem aus Polen?«
»Quatsch!«, rief Fatty. »Der hätte doch niemals eine SA-Wumme angefasst!«
Jetzt war ich es, der ziemlich dämlich aus der Wäsche schaute. Neu sah die Pistole in der Tat nicht aus. Gut gepflegt, ja, aber ein Modell von Anno dazumal.
»Der andere Opa«, erläuterte Eva. »Der vor Kurzem gestorben ist. Er war in der SA und hat Friedhelm seine Pistole vermacht.«
»Davon hast du nie etwas erzählt.«
»Weil ich nichts davon wusste«, erwiderte Fatty mit aggressivem Unterton. »Keiner hat darüber geredet, meine Oma nicht, meine Mutter nicht und mein Opa schon dreimal nicht. Ich kann dir nicht einmal sagen, wer es überhaupt wusste. Ich jedenfalls nicht. Und dann nippelt der Alte ab und hinterlässt mir, ausgerechnet mir, eine Naziwaffe! Lustig, was? Sein Grab muss gebebt haben vor Lachen, als ich das Ding auspackte.«
»Du hast dich nicht so toll mit ihm verstanden?«
»Überhaupt nicht. Der hat sich an den Kopf gefasst, als er hörte, dass ich eine Ausbildung zum Erzieher mache. Sein Enkel, und dann so ein Weiberberuf! Und als ich dann nachträglich verweigert habe, war es endgültig aus.«
»Hässlich finde ich das Ding ja nicht.«
»Eine alte Mauser. Du kannst sie haben, wenn du magst. Aber erzähl keinem, von wem du sie hast.«
»Sag bloß, dir ist es peinlich, dass dein Opa …«
»Ja, ist es mir!«, blaffte er. »Ein SA-Mann in meiner Familie, da läufts mir kalt den Buckel runter! Wobei ich es noch schlimmer finde, dass er nie darüber gesprochen hat. Immer schön den aufrechten Demokraten spielen und kein Wort über die Vergangenheit!«
Kopfschüttelnd nahm ich die Pistole zur Hand. »Darum also warst du so komisch drauf. Und wir dachten schon …«
Eva sah mich fragend an. Ich konnte nicht verhindern, dass mein Blick über ihren Bauch glitt. Über einen durchaus vorhandenen, nicht wegzuleugnenden Bauch: Horrorvorstellung jedes Laufstegmodels. Allerdings hing der schon da, als ich Eva kennenlernte.
» Was dachtet ihr?«, bohrte sie.
Ich winkte ab. »Du kennst doch Christine. Macht sich immer gleich Sorgen, um alles und jeden. Wenn einer ihren Sauerbraten nicht gebührend würdigt, unterstellt sie ihm ein Magengeschwür. Und was deinen Opa betrifft«, wandte ich mich wieder an Fatty, »mach dir da mal keinen Kopf. Dass die Vergangenheit verdrängt wird – mein Gott, das kommt in den besten Familien vor. Glaub mir, Fatty, ich spreche aus Erfahrung.«
»In den besten Familien?«, gab er zurück und entriss mir die Waffe. »Ja, vielleicht. Aber nicht in meiner!«
Dieses E-Book wurde von der "Verlagsgruppe Weltbild GmbH" generiert. ©2012
28
Am nächsten Morgen wurde die Aufarbeitung fortgesetzt. Koschak übernachtete bei Eva und Fatty, trotz deren Proteste. »Hinterher stinkt unsere ganze Wohnung nach Vogelkacke«, beschwerte sich Eva. Auch Christine schaute einigermaßen erstaunt, als ich ihr mitten in der Nacht eine hochbezahlte Prostituierte anschleppte, wenngleich man Agata ihren Beruf in diesen Tagen nicht ansah. Sie schlief im Wohnzimmer auf dem Sofa.
»Ihr Gesicht kommt mir bekannt vor«, murmelte meine Ex beim Einschlafen. »Aus der Zeitung. Und irgendwie bringe ich es mit nichts Positivem in Verbindung.«
»Das sagen die Leute über mich auch«, tröstete ich sie.
Wir trafen uns in meinem Büro: Agata, die Deiningers, Koschak und ich. Fatty hatte den Journalisten persönlich bei mir abgeliefert, um sich danach wieder aufs Ohr zu legen, von wegen Stressabbau und so. Die Sache mit seinem Opa würde ihm noch einige Zeit aufs Gemüt schlagen. Auch Evelyn machte kein Hehl aus ihrer Enttäuschung über den misslungenen Coup. Umso erleichterter wirkte ihr Gatte. Als ich ihm die Kroatin vorstellte, flog eine leichte Röte über sein Bärchengesicht.
Koschaks Nase war mächtig geschwollen. Trotzdem markierte er den starken Mann: »In die Klinik gehe ich erst, wenn ich sicher bin, dass ich die Story kriege.«
»Kriegt er?«, fragte ich Agata und übersetzte gleich ihr Kopfschütteln: »Kriegen Sie nicht.«
»Das ist gegen unsere Abmachung!«
»Hören Sie auf mit Abmachungen, Herr Koschak! Gestern Abend haben Sie bewiesen, dass Sie der Letzte sind, der sich an so etwas hält. Außerdem: Wenn Agata nicht will, will sie nicht. Punkt. Und jetzt zu den Butenschön-Akten.«
»Sie können mich mal.«
»Gestern waren verdammt viele Menschen auf
Weitere Kostenlose Bücher