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Butenschön

Butenschön

Titel: Butenschön Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Imbisweiler
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dachte ich, jetzt muss die Pistole her. Ich also raus aus meinem Versteck und auf die beiden Typen los.«
    »Du bist auf sie losgegangen?«, lachte ich.
    »Ich meine schon. Zumindest habe ich sie angebrüllt und mit der Pistole gefuchtelt. Und zack, waren sie fort! Über alle Berge.«
    »Aber wer hat geschossen?«
    »Die Pistole.«
    »Also du!«
    »Kann sein«, rief er. »Aber nicht mit Absicht! Wenn, dann war es ein Reflex. Ich hab’s einfach nicht gemerkt, Max, verstehst du? Den Schuss hörte ich natürlich, aber in dem Moment war mir nicht klar, dass er aus meiner Waffe kam.«
    »Hast du jemanden getroffen?«, wollte Eva wissen.
    »Keine Ahnung.«
    »Hoffentlich«, röhrte Koschak in Richtung Zimmerdecke. »Die sollen ruhig lernen, dass sie sich nicht alles erlauben können! Das haben Sie super gemacht, Herr Safranski. Echt coole Leistung.«
    »Sawatzki. Nicht Safranski.« Trübe starrte er sein Glas an. »Ich fand es nicht cool. Eher beschissen. Ziemlich arg beschissen.«
    Ich wechselte einen flüchtigen Blick mit Eva. In Gefahr hatte ich ihren Freund nicht bringen wollen. Was, wenn die anderen auch bewaffnet gewesen wären? Oder wenn sie nur vor Schreck nicht zurückgeschossen hatten? »Herr Koschak«, rief ich auf der Suche nach einem Sündenbock, »nun mal raus mit der Sprache: Was waren das für Typen?«
    »Albaner«, antwortete er und brachte seinen Kopf in die Ausgangsposition zurück. »Kann ich ein neues Tuch haben? Und einen Schnaps bitteschön.« Als er beides bekommen hatte, fuhr er fort. »Albanische Zuhälter und Schläger. Namen kann ich Ihnen nicht nennen. Vielleicht kennt Romana sie.«
    Die Prostituierte schüttelte den Kopf. »Keine Zuhälter. Sind gekaufte Jungs, ich kenne sie nicht.«
    »Und vor denen hatten Sie die ganze Zeit Angst?« Meine Frage war an Koschak gerichtet, aber Agata nickte ebenfalls. »Dann erzählen Sie mal. Mit Vorgeschichte, wenn ich bitten darf.«
    Und Koschak gehorchte. Die Sache war überstanden, seine Nase ein übler Trümmerhaufen und er selbst handzahm geworden. Vor ein paar Wochen hatte er über einen seiner bewährten Kanäle erfahren, dass Romana, die höchstgehandelte unter den Premiumhuren Heidelbergs, aussteigen wollte. Und nicht nur aussteigen, sondern auch auspacken. Schließlich brauchte man für ein neues Leben Geld, das so manche Zeitung für eine schlüpfrige Story zu zahlen bereit war. Behauptete jedenfalls Koschak. Er nahm Kontakt zu ihr auf und begann die Presse anzufüttern. Mit Informationen häppchenweise sowie der Versicherung, dass Romanas Insiderwissen für eine ganze Handvoll von Skandälchen langte. Der Pfarrer im Puff, der Manager mit den speziellen Vorlieben, die Lebensbeichte des Politikers am Busen der Prostituierten   –   solche Andeutungen trieben die Preise nach oben.
    Gleichzeitig aber wurden Romanas Bosse hellhörig. Derartige Schlagzeilen konnten sie sich nicht leisten und den Ausstieg ihres besten Pferdes im Stall   –   bei diesem Ausdruck verzog Agata ihr Gesicht   –   erst recht nicht. Natürlich war Romana längst untergetaucht, aber was hieß das schon bei einer Kroatin, die seit zehn Jahren in Deutschland lebte und so gut wie keine sozialen Kontakte außerhalb des Milieus besaß? Erst suchte sie bei einer Freundin Unterschlupf, dann besorgte ihr Koschak eine Wohnung auf dem Land. Die aber bot auch keine Sicherheit.
    »Eines Morgens sind sie gekommen«, flüsterte Agata. »Ich konnte abhauen und mich verstecken. Da wusste ich, dass es ein Fehler war auszupacken. Ich wollte nur noch weg, nach Hause.«
    Nach Kroatien also. Und das ohne Papiere! Ihr naiver, aus der Not geborener Plan sah vor, dass sie sich zu ihrer Familie nach Zagreb durchschlug, um von dort aus die Gemüter zu besänftigen. Kein Wort mehr an die Presse, niemanden reizen, einfach nur Ruhe.
    »Ich hatte fertig«, schniefte sie. »So was von fertig, versteht ihr?«
    »Und Sie?«, fragte ich den Journalisten.
    Koschak traf kurz danach in der Wohnung ein, entdeckte die Einbruchsspuren und begriff, dass man seine Informantin aufgespürt hatte. Nun war auch er in Gefahr. Er verschanzte sich im Keller, wo er bald eine SMS von Romana bekam, die ihn einigermaßen beruhigte. Sie verschwieg ihm, dass sie im Begriff stand, das Land zu verlassen.
    »Aber das hat nicht geklappt, vermute ich.«
    Agata senkte den Kopf. Nur andeutungsweise verriet sie, wie demütigend ihre Odyssee durch die Europäische Union gewesen sein musste, von einer Grenze zur nächsten,

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