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Butenschön

Butenschön

Titel: Butenschön Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Imbisweiler
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gut, dachte ich. Er hatte mich am Montagabend doch vom Tatort aus angerufen   –   ging es noch spontaner? Ich schwieg weiter.
    »Ja, und wie gesagt, ich hätte auch nicht geglaubt, dass sich die Ermittlungen so in die Länge ziehen würden   …   Das geht nicht gegen Sie, Herr Koller, absolut nicht.«
    »Herr Deininger«, erlöste ich den Kerl schließlich, »wenn Sie den Auftrag beenden wollen, ist das kein Problem für mich. Wir hatten vereinbart, dass Sie das jederzeit tun können, ohne Angabe von Gründen. Ich würde es Ihnen sagen, wenn ich eine Chance sähe, die Ermittlungen heute oder morgen abschließen zu können. Leider ist das nicht der Fall. Vielleicht ergibt sich nachher noch die Gelegenheit zu einem kurzen Gespräch mit den Butenschöns, aber darauf setzen würde ich nicht.«
    »Es muss ja nicht sofort sein«, sagte er hastig. »Ich meine, Ihren Auftrag zu beenden. Diesbezüglich kommt es auf einen Tag nicht an, absolut nicht. Wir können auch morgen   …   oder übermorgen …« Er zuckte die Achseln. »Sehen Sie, ich habe mir das alles einfacher vorgestellt.«
    »Schon in Ordnung, Herr Deininger, kein Problem. Spätestens morgen werde ich meine Nachforschungen einstellen. Sie bekommen einen schriftlichen Bericht mit allem, was mir so aufgefallen ist, und diesen Bericht können Sie dann, wenn Sie möchten, der Polizei vorlegen. Nur eines fände ich schade.«
    »Was?«
    »Wenn hinter dem Entschluss aufzuhören alleine Ihre Frau stände.«
    »Evelyn? Nein, das ist nicht   …   also, wir sind schon beide dieser Meinung. Und dann ist es, wie gesagt, ja auch eine Frage des Geldes.«
    Das Geld, natürlich. Bei seinem Beruf immer. Selbstredend und a priori. Ein Bauplatz in Dossenheim kostete nur halb so viel wie in Heidelberg, aber dreimal mehr als in Schnakenbach. Hoffentlich war wenigstens die Dackelzucht günstig. Ich stand auf und schüttelte zum Abschluss seine weiche, feuchte Hand. »Fahren Sie noch zur Kerwe?«
    Er grinste. »Jetzt gleich. Wenigstens für ein paar Stündchen. Muss sein.«
    »Grüßen Sie den Dieter von mir!«
    Da ließ er die Kinnlade fallen.

     

     

     

     

    Dieses E-Book wurde von der "Verlagsgruppe Weltbild GmbH" generiert. ©2012

29

    Die Alte Uni, Heidelbergs akademisches Schmuckstück und eines der vertrautesten Gebäude der Stadt: ihre weiße, von rotem Sandstein gegliederte Fassade, das markant geschwungene Dach mit seinen tiefdunklen Ziegeln und dem lustigen Türmchen obenauf. Stein gewordener Geist, so wachte sie seit drei Jahrhunderten gelassen über den Uniplatz, das Herz der Altstadt, weshalb man auch als Nichtstudent regelmäßig an ihr vorbeitrottete. Aber ihre Innereien! Wie konnte ich die Aula nur vergessen, diesen Historienschinken in 3-D, diese staubig knarrende Gelehrtenhalle, mit ihren Lüstern und Schnörkeln und Riesengemälden im Kaiser-Wilhelm-Ornat? Die Kassettendecke ein hölzerner Echsenpanzer, die Wände eine kastanienbraune Zumutung, das Licht gedämpft, wie vom Firnis der Heidelberger Bierzipfelromantik überzogen.
    Immerhin, die Akustik war gut in dem Raum.
    Hier also sollte der Festakt für den greisen Wissenschaftler stattfinden. Der Rektor, als Hausherr, gab sich die Ehre. Er residierte im Ostflügel des L-förmigen Gebäudes, in der sogenannten Bel Etage auf Höhe der Aula. Bei entsprechenden Anlässen holte er seinen Faschingsschmuck aus dem Rektoratsschrank   –   Robe, Käppi und Amtskette   –   und ließ alles von seiner persönlichen Referentin abstauben. In voller Montur ähnelte er einem keltischen Druiden, behauptete zumindest Fatty, der einem dieser Aufzüge einmal beigewohnt hatte, aus welchem Grund auch immer.
    Wie oft war ich hier gewesen? Zwei, drei Male, und die lagen lange zurück. Als Christine und ich uns ganz frisch kannten, hatte sie mich zu einem Konzert mitgeschleppt, Klavier oder so, und dann hatte es noch einen Vortrag von Gadamer gegeben, dem Heidelberger Vorzeigephilosophen, den man angeblich einmal in seinem Leben gehört haben musste. Gehört hatte ich ihn, verstanden nicht. Dass der Mann trotzdem Eindruck machte, lag an seinem Alter, das fast so biblisch war wie das Albert Butenschöns.
    Als ich den Uniplatz erreichte, warteten dort bereits einige dunkle Limousinen: Fahrzeuge mit Stuttgarter Kennzeichen, mit Chauffeur und Parkerlaubnis. Sie standen nur wenige Meter vom Eingang entfernt, damit sich die Großkopferten auf dem Weg zur Alten Aula nicht verliefen, ich aber stellte mein Rad noch näher

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