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Butenschön

Butenschön

Titel: Butenschön Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Imbisweiler
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Körper zurückzukehren. Ja, er wirkte schlagartig jünger und fröhlicher, veränderte seine Sitzposition im Rollstuhl, rieb die Hände gegeneinander. »Ich habe dieses Zeug schon immer gehasst«, bekannte er. »Und wenn Jupps Sohn nicht darauf gedrängt hätte   …   Genau wie sein Vater, der Kerl.«
    »Es liegt kein guter Stern über Ihren Festlichkeiten. Das tut mir leid.«
    Mit einer Hand winkte er ab. »Ach, Festlichkeiten   …   Ich weiß nicht, ob es ein Grund zum Feiern ist, wenn einer 100 wird. Sie sehen ja, die Leute verbinden ganz unterschiedliche Emotionen damit. Freude auf der einen Seite, Missmut auf der anderen.« Er sah mich an. »Warum stehen wir eigentlich in diesem Aufzug? Worauf warten wir?«
    »Ich wollte Sie aus dem Tohuwabohu dort unten rausholen. Warten wir, bis sich alles beruhigt hat, dann bringe ich Sie zu Ihrer Frau zurück.«
    Er nickte langsam. Ob er mir glaubte, wagte ich nicht zu entscheiden. Immerhin, er schrie nicht um Hilfe; aber welches Ohr hätte er mit seiner Greisenstimme auch erreicht?
    »Herr Butenschön?«
    »Ja?«
    »Ich würde Sie gerne etwas fragen.«
    Er wartete.
    »Wenn Sie auf Ihr Leben zurückblicken: Welche Aspekte überwiegen, die positiven oder die negativen? Würden Sie sich als zufrieden bezeichnen?«
    Das Schweigen, das meinen Worten folgte, machte mir bewusst, wie banal sie waren. Butenschön empfand es wohl genauso. Er ließ sich Zeit mit der Antwort, betrachtete stirnrunzelnd seine Finger, um schließlich den Kopf zu heben. »Ehrlich gesagt, verstehe ich Ihre Fragen nicht ganz. Zufrieden? Ja, durchaus. Was soll man auch …« Er zögerte und setzte neu an: »Sehen Sie, wenn man so alt ist wie ich, wird Unzufriedenheit zu einem Luxus, den man sich nicht mehr leisten mag. In welchem Licht einem das eigene Leben erscheint, hat damit nichts zu tun. Positiv oder negativ   –   diese Beurteilung überlasse ich anderen. Wobei …«, er reckte sich, so gut es ging, »als Nobelpreisträger und weltweit respektierter Wissenschaftler wundere ich mich ein wenig über die Skepsis, die ich aus Ihrer Frage heraushöre.«
    »Wissenschaft ist die eine Sache, das Verhältnis zu den Menschen eine andere.«
    »Sicher. Und?«
    Ich verlagerte mein Gewicht vom rechten auf das linke Bein. »Sie sind doch ein gläubiger Mensch, Herr Butenschön. Habe ich zumindest gelesen. Ich bin es eher nicht, aber ich stelle mir vor, dass es jemanden wie Sie, der vielleicht bald dem Herrgott gegenübertreten wird, drängt, Bilanz zu ziehen. Dass sich dieser Mann überlegt, was er hätte besser machen können. Wo seine Fehler liegen, seine unverzeihlichen Sünden. Ich weiß, das klingt komisch für Sie. Trotzdem frage ich mich, wie ein Albert Butenschön heute über sich und sein Verhalten urteilt. Jeder weiß, dass Sie Herausragendes geleistet haben. Als Wissenschaftler, als Person des öffentlichen Lebens, als Mitglied der Universität. Immer ragte Ihr Verhalten aus dem der anderen heraus. Nur einmal, es ist 70 Jahre her, da haben Sie so gehandelt wie alle: stromlinienförmig, massentauglich. Eben nicht herausragend. War das richtig? Hätten Sie damals gerne anders gehandelt   –   es gab nur keine Möglichkeit? Oder würden Sie Ihr Verhalten heute als Fehler bezeichnen? Möglicherweise hätten gerade Sie als Prominenter ein Zeichen setzen müssen. Was meinen Sie, Herr Butenschön?«
    Diesmal währte die Stille noch länger als zuvor. Butenschön atmete schwer. Seine Hände bewegten sich, rastlos. Es sah aus, als wäre er am liebsten aufgestanden und herumgelaufen. Von einer Wand des Aufzugs zur anderen.
    »Vor 70 Jahren«, krächzte er schließlich. »Geht Sie das etwas an?«
    »Mich nicht«, antwortete ich. »Aber Sie.«
    »Hören Sie«, er zog erneut sein Taschentuch hervor, ohne es zu benutzen. Zerknüllt lag es in seinen faltigen Händen. »Ich weiß Ihren Namen gar nicht, oder habe ich ihn vergessen?«
    »Koller, Max Koller.«
    »Also, Herr Koller, wie kommen Sie dazu, mir Fragen zu stellen, die längst beantwortet sind?«
    »Sind sie das?«
    Er lachte gezwungen auf. »Sie haben über mich gelesen, sagten Sie. Nun, dann wissen Sie auch, dass sich die Historiker längst meiner angeblichen oder tatsächlichen Verfehlungen angenommen haben. Ein Trumm von einem Buch ist daraus geworden. Seziert haben sie mich, durchleuchtet und abgeurteilt! Seitdem weiß doch alle Welt, wie es um das gute Gewissen des alten Butenschön bestellt ist.«
    »Ich würde sagen, dieser Kommissionsbericht

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