Butenschön
Heizöfchen mit den Füßen ein bisschen näher an mich heran. »Sie könnten recht haben, Herr Deininger. Allerdings scheint die Botschaft des Anschlags, wenn es eine solche denn gab, bei Ihrer Frau nicht anzukommen. Sie wehrt sich ja mit Händen und …«
»Ach was!«, unterbrach er mich ungeduldig. »Natürlich kommt sie an, die Botschaft. Evelyn weiß genau, was hier gespielt wird, sie will es nur nicht zugeben. Denn das hieße, ihre Arbeit infrage zu stellen. Man mag sich gar nicht ausmalen, wie das endet!« Er beugte sich vor. »Herr Koller, wenn wirklich diese Butenschön-Clique dahintersteckt, brauche ich Ihre Hilfe. Dann müssen Sie Evelyn dazu bringen, dass sie ihre Promotionspläne aufgibt.«
»Das kostet aber extra«, brummte ich. Deininger machte wohl Witze! Ich mischte mich doch nicht in akademische Karrieren ein. Ausgerechnet ich, mit meinen verjuxten zwei Semestern Psychologie! »Nun lassen Sie mich erst einmal ermitteln. Welche Folgen sich daraus ergeben, werden wir sehen. Mich interessiert momentan etwas anderes. Wenn tatsächlich jemand aus dem Umkreis Butenschöns für den Anschlag verantwortlich ist, dann fragt sich doch, woher er von der Promotion Ihrer Frau und den neuen Entwicklungen wusste. Oder hat Evelyn den Deal mit dem Russen an die große Glocke gehängt?«
»Nein, natürlich nicht. Sie haben ja gesehen, wie schwer es ihr fiel, Ihnen davon zu erzählen. Von den Butenschön-Dokumenten weiß außer mir und Ihnen nur ihr Doktorvater. Wenn etwas durchgesickert ist, dann über Koschak, den Journalisten.«
»Könnte er, bevor er den Kontakt zur Wissenschaft gesucht hat, an Butenschön herangetreten sein? Um ihm die Dokumente zu verkaufen, mit ordentlichem Gewinn, versteht sich?«
»Möglich, ja. Dem Koschak traue ich das zu.«
»Und Evelyns Doktorvater?«
»Professor Gärtner?«, erwiderte er in einem Ton, als hätte ich dem Papst Enkel angedichtet. »Dem doch nicht! Schließlich ist er genau wie Evelyn daran interessiert, dass ihre Arbeit nicht torpediert wird, sondern Ergebnisse bringt. Spektakuläre Ergebnisse.«
»Schon gut. Wenn es um Angelegenheiten der Uni geht, stelle ich ab und zu die blödesten Fragen, sehen Sie mir das bitte nach. Dieser ganze Studiumskram ist nicht mein Ding, wie gesagt.«
Sein Grinsen wurde breit und immer breiter. »Wissen Sie, was, Herr Koller? Genau deshalb sind Sie mir so sympathisch. Für diese Akademikerclique bin ich doch auch nur ein kleiner Münzenzähler.«
Dieses E-Book wurde von der "Verlagsgruppe Weltbild GmbH" generiert. ©2012
6
So. Mal sehen, was dieser Tag gebracht hatte. Nach Deiningers Abgang hatte ich eine Stunde vor dem Computer zugebracht und den Internetdschungel durchforstet. Schlauer machte mich das nicht, nur unleidlicher. Natürlich verhedderte ich mich sofort in der Unzahl von Einträgen zu Albert Butenschön, die das globale Netz über mich warf. Zwischen Elogen und Anfeindungen fanden sich jede Menge Verweise auf seinen bevorstehenden 100. Geburtstag, dazu exakte Angaben, wer warum dabei oder nicht dabei sein würde. Die vielen wissenschaftlichen Einträge, über ihn, seine Arbeiten, wahlweise auch über die von ihm initiierte Butenschön-Stiftung, überging ich. Einen einzigen Satz notierte ich mir: Butenschön, hieß es dort, sei ein »patriarchaler Ordinarius, machtbewusster Institutsgründer und anpassungsfähiger Stratege«. Schön formuliert! In einem Spiegel-Online-Artikel wurde der alte Mann wie ein Ei in die Pfanne gehauen – wie ein Spiegelei, genau –, bevor die FAZ selbige vom Herd nahm und behauptete, der Spiegel habe sich an dem Thema die Finger verbrannt. Es gab Wider-, Zu- und Einsprüche, und am Ende war der ganze Kommentarbrei von eindeutig zu vielen Wortköchen verdorben. Bei der Jubelfeier in der Alten Aula aber würden alle in der ersten Reihe sitzen und sich aufs kalte Büffet freuen.
So viel zu Butenschön. Ich gab Evelyn Deiningers Name in die Suchmaske ein, dann auch den ihres Mannes. Keine Treffer von Belang. Knödelchen war mit ein paar Vorträgen und Seminaren vertreten, Michael in irgendeinem Hundezüchterverein. Von der Homepage der Sparkasse Heidelberg grinste er einen an, wie er mich heute angegrinst hatte.
Nächstes Thema. Die Stichworte »Studenten«, »Randale«, »Studiengebühren« und »Proteste« in verschiedenen Kombinationen ergaben null Resultate oder viel zu viele. Kein konkreter Hinweis auf ein Motiv für den Brandanschlag. Der Technologiepark
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