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Butenschön

Butenschön

Titel: Butenschön Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Imbisweiler
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Kram. Das gefiel ihr nicht. Deshalb hängte sie ein Studium dran. Ich zuerst auch, aber das war ein granatenmäßiger Schuss in den Ofen.«
    »Was für ein Fach?«
    »Geschichte.«
    »Ich meinte Sie, nicht Ihre Frau.«
    Er lachte. »Auch Geschichte. Ja, wirklich, drei Semester. Mein Gott, habe ich gejubelt, als ich wieder in die Bank durfte.«
    Bärchen war also Studienabbrecher, genau wie ich. Unsere Gemeinsamkeiten wurden immer zahlreicher. Noch so eine Anekdote, und wir würden Blutsbrüderschaft trinken.
    »Und warum der Name Knödelchen?«
    Wieder lachte er, wurde aber gleich ernst. »Evelyn war ein Pummelchen, schon immer. Als Kind, als Teenager: rund und pummelig. Das glauben Sie jetzt nicht, aber es stimmt. Erst als sie mit dem Studium anfing, ging das mit dem Abnehmen los. Und nun kann sie nicht mehr aufhören, richtig knochig ist sie geworden. Ich weiß nicht, mir bereitet das Sorgen. Wo soll das enden? Das sieht doch nicht gesund aus, oder was finden Sie?«
    Ich zuckte die Achseln.
    »Gegen Abnehmen ist ja nichts zu sagen, aber es muss doch in Maßen   …   Manchmal glaube ich, es ist psychisch bei ihr. Der Stress, verstehen Sie? Erst ihre Magisterarbeit, jetzt die Promotion. Dann macht sie auch noch Sport! Obwohl sie schon so dünn ist. Ich dagegen …« Wieder tätschelte er sein Bäuchlein. »Okay, es könnte ein bisschen weniger sein, aber dick bin ich noch lange nicht. Außerdem fühle ich mich gut. Früher war ich der Schlanke von uns beiden, dann kam jedes Jahr so ein Kilochen dazu. Eins pro Jahr, ich meine, das muss doch erlaubt sein.«
    »Verboten ist es nicht. Ihre Frau hat also Stress?«
    »Ja, leider. Sie ist verdammt ehrgeizig, oder besser: Sie ist es geworden, seit sie studiert.«
    »Aber sie hat auch Erfolg.«
    »Natürlich!« Er fuchtelte mit seiner Gabel herum, bevor er sie in die Sülze steckte, um ein ordentliches Stück abzusäbeln. »Ihr Chef, der Gärtner, ist voll des Lobes über sie, den sollten Sie mal hören. Nur, was bringt’s am Ende? Es gibt kaum Stellen, und irgendwann will man ja auch Kinder.«
    Ich nickte. Klar, wer wollte das nicht? Alle wollten Kinder. Wollten Windeln und Schnuller und Spielplatz und Gutenachtlied. Nur Max Koller hatte keine Lust darauf, aber der zählte nicht. »Und wenn die Promotion Ihrer Frau nun für Furore sorgt? Wenn sie nicht nur eine gute Beurteilung erhält, sondern wegen des Themas auch die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit? Würde sie dann vielleicht eine akademische Laufbahn einschlagen?«
    »Unwahrscheinlich. So gut wie ausgeschlossen. Sicher, insgeheim träumt sie davon, aber das tun viele. Die Luft ist dünn dort oben, mindestens so dünn wie in der freien Wirtschaft. Und dann ist sie eine Frau, da können Sie es gleich vergessen. Wissen Sie, wie viele Professorinnen es an der Uni Heidelberg gibt?« Er winkte ab. »Nein, so sehr ich es ihr gönne   –   ein bisschen Realismus muss man sich diesbezüglich bewahren, stimmt’s?«
    »Sie sagen es, Herr Deininger.« Realismus? Aber hallo, Realismus war immer gut. Vor allem diesbezüglich. Schon wieder so eine Gemeinsamkeit zwischen dem Bärchen und mir, es wollte überhaupt nicht enden. Wobei ein bisschen mehr Realismus bei der Auswahl von Deiningers Lieblingscafés nicht geschadet hätte. Kellnerinnen mit Krawatte! Das konnte die Aktiengesellschaft, die hinter der Cafékette steckte, glatt die DAX-Notierung kosten.
    »Nein«, wiederholte er kopfschüttelnd, »diese ganze Studiumskiste können Sie vergessen. Dagegen das hier«, er zeigte auf den Rest Sülze, »das hier ist was. Da nehme ich gerne einen Naturairbag in Kauf. Habe ich recht?«
    »Was mich interessieren würde, Herr Deininger: Wie kamen Sie eigentlich auf mich als Ermittler?«
    »Sie stehen im Telefonbuch.« Schnapp, verschwand der Sülzenrest im Bankermund. Eine dicke Kartoffel hinterher.
    »Ich dachte, Sie hätten mich ganz spontan angerufen.«
    »Spontan?« Das Wort fiel den heftigen Kaubewegungen fast zum Opfer.
    »Als Sie von dem Feuer hörten, sind Sie doch sicher sofort zum Institut gefahren, um mich erst anschließend zu kontaktieren, richtig?«
    Er sah mich verständnislos an. Dann nickte er, kaute weiter und machte eine Geste mit der Linken. Gleich, besagte die Geste; muss nur noch eine Kartoffel beiseite räumen. Bevor es so weit war, klingelte sein Handy. Mit bedauerndem Achselzucken zog er das Telefon aus der Hosentasche, blickte kurz auf das Display und meldete sich. Ein paar Kaubewegungen und einsilbige

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