Butenschön
»Ich bin ungebeten hier, ein Störenfried, ein echtes Ärgernis. Aber es ist nun mal nicht zu ändern, also sehen Sie einfach darüber hinweg und lassen Sie uns zur Sache kommen. Hat Ihnen Herr Brouwer schon hoch und heilig versprochen, dass die Butenschöns nichts mit dem Anschlag zu tun haben?«
Hoppla, das saß. Dem Anwalt blieb die Luft weg, Gärtner gelang ein kleines, verblüfftes Lachen. So amüsiert es klingen sollte, war es bloß das Begleitgeräusch eines Rückzugsgefechts. »Sie gehen ja ran, junger Mann«, meckerte er, und das war ein ganz mieser Witz, denn von echten jungen Männern trennten mich mehr Jahre als von ihm.
»Wer ist das?«, fragte Brouwer fassungslos.
»Angeblich ein Freund von Herrn Deininger.«
»Angeblich?«, protestierte ich. »Dann fragen Sie ihn mal, mit wem er gestern Abend gezecht hat bis zum Abwinken. Und selbst wenn es nicht so wäre: Ich ermittle in dem Fall und war eben auf dem Weg zu Ihnen, Herr Brouwer, um Sie zu fragen, ob es eine Verbindung zwischen der Familie Butenschön und dem Brandanschlag vom letzten Montag gibt. Da Ihnen Herr Gärtner diese Frage bereits gestellt hat, würde mich Ihre Antwort interessieren.«
»Wie bitte?« Jetzt spielte auch der Anwalt den Erheiterten. »Ihre Fantasie geht mit Ihnen durch.«
Seufzend nahm ich die Karte zur Hand. »Herr Brouwer, warum unterhalten wir uns nicht wie drei vernünftige Menschen? Wir sind unter uns, plaudern ein wenig, es gibt kein Protokoll, keine Schweigepflicht. Mein Interesse ist es herauszufinden, ob Albert Butenschön etwas mit dem Anschlag auf Frau Deiningers Büro zu tun hat. Ihres doch auch, Herr Gärtner? Oder weswegen sind Sie sonst hier?«
»Ich habe mich verfahren und Dr. Brouwer nach dem Weg gefragt«, schmunzelte der Salzburger Lockenkopf. »Ein ganz zufälliges Zusammentreffen.«
»Tja, wenn der Navi seine Tage hat …«
»… fühlt man sich so recht als Ausländer in dieser Stadt.«
Dem Chef von Knödelchen war Humor also nicht fremd. Und Butenschöns Anwalt?
»Es ist geradezu absurd«, stieß Brouwer mit ebenso viel Luft wie Empörung hervor, »Professor Butenschöns Namen im Zusammenhang mit dieser Tat zu erwähnen. Regelrecht peinlich ist das!«
Bevor ich antworten konnte, stand die Bedienung neben uns. Auch sie natürlich ein echter Frankreichexport. Ihre weiße Bluse war eine Nummer zu eng und ihr Akzent eine Spur zu niedlich, um mich vom Hocker zu reißen, aber als Amuse gueule ging sie allemal durch. Ich verkniff mir den Wunsch, nach Tchibo koffeinfrei zu fragen, und bestellte einen Standardkaffee. Noch lange hing ihr Parfüm in der Luft.
»Okay«, nahm ich den Faden wieder auf. »Ich verstehe, dass Sie das sagen müssen, Herr Brouwer. Es ist peinlich, es ist absurd, es ist undenkbar. Komischerweise denken es trotzdem einige Leute: dass dieser Anschlag eine Warnung an die promovierende Frau Deininger ist. Und Herr Gärtner denkt es natürlich auch, sonst wäre er nicht hier.« Ich wandte mich ihm zu. »Im Übrigen finde ich das klasse, dass Sie sich so für Ihre Doktorandin einsetzen. Das würde bestimmt nicht jeder Dozent tun.«
Gärtners Blick verengte sich. Schien ihm nicht zu schmecken, dieses Lob.
»Hören Sie«, sagte Brouwer und legte seine Fingerspitzen gegen die Tischkante. In seinem breiten Gesicht, das oben von einem Seitenscheitel begrenzt wurde, verloren sich die blassen Augen hinter einer großen, eckigen Brille. »Ich weiß nicht, worauf Sie mit Ihrer gelinde gesagt unkonventionellen Art hinauswollen. Was Professor Gärtner und ich hier zu besprechen haben, geht niemanden etwas an, Sie eingeschlossen. Also möchte ich Sie dringend ersuchen, uns nicht weiter zu belästigen. Wir können gerne einen Termin …«
»Natürlich«, unterbrach ich ihn rüde. »Natürlich können wir einen Termin ausmachen. Aber muss das sein? Mit Herrn Gärtner haben Sie sich ja auch ganz informell in der Mittagspause getroffen. Es gibt nur ein Thema, das für eine Unterhaltung zwischen Ihnen beiden infrage kommt, und das ist der Brandanschlag auf Frau Deiningers Büro. Genau das ist auch mein Thema. Also kommen Sie bitte von Ihrem hohen Ross herunter und beziehen Sie mich in Ihr Gespräch mit ein. Was Ihren Mandanten angeht, Professor Butenschön, so interessiert er mich nicht die Bohne. Sein Ruf, seine Vergangenheit: ist mir alles schnuppe. Mich interessiert nur, ob er für den Anschlag verantwortlich ist. Sprechen wir darüber. Dann sind Sie mich schneller los, als Sie die Straße
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