Butenschön
Versteckspiel nicht betreiben, so viel kann ich Ihnen versichern. Ja, ich mache mir Sorgen um meine Haut, das kommt schon mal vor, wenn man investigativ arbeitet. Mit dem Russen und dem Professor hat es rein gar nichts zu tun.«
»Gut. Ich kann das nun glauben oder nicht. Ich kann Sie auch jederzeit rausschmeißen, sollten meine Zweifel übermächtig sein.«
Er deutete eine Verbeugung an. »Ich wäre Ihnen sehr zu Dank verpflichtet, wenn Sie es nicht täten. Darf ich hier rauchen?«
»Vor der Tür. In der Kammer nebenan ist ein Feldbett, das stelle ich Ihnen auf. Bettwäsche muss ich aus der Wohnung holen.«
»Nicht nötig, ich habe einen Schlafsack dabei.« Er hielt inne. Das Öffnen und Schließen der Hoftür war durch die undichten Fenster deutlich zu hören. »Wer ist das?«
»Meine Ex-Frau wahrscheinlich.« Ich trat auf den Hof hinaus und sah eine schwer beladene Christine im Haus verschwinden. »Machen Sie sich mal keine Sorgen. Die Hoftür ist nicht so einfach zu knacken. Und falls doch, wird man Sie in einer ehemaligen Voliere als Letztes suchen. Brauchen Sie noch irgendetwas für die Nacht? Wie steht es mit Essen?«
»Essen?« Er sah mich voll Unverständnis an. »Lassen Sie mal. Ich will Ihnen ja keine Umstände …«
»In der Ecke stehen ein paar Flaschen Wasser, ein Bier müsste auch noch da sein. Zum Frühstück kann ich Ihnen was bringen, aber ich muss zeitig weg. Termine in Sachen Butenschön.«
»Sehr gut«, grinste er, jetzt ganz entspannt. Er lehnte sich zurück und verschränkte die Arme hinter dem Kopf. »Morgen Abend ist die Kiste durch, Herr Koller. Dann haben Sie Ruhe vor mir.«
»Ihr Wort in Gottes Ohr, Herr Koschak. Und stoßen Sie sich nicht an der Tür.«
Dieses E-Book wurde von der "Verlagsgruppe Weltbild GmbH" generiert. ©2012
22
Christine war natürlich wenig begeistert, einen weiteren Untermieter in ihrer Wohnung zu haben. Beziehungsweise einen Untermieter im Büro ihres Untermieters. Zumal sie nicht verstand, warum sich Koschak verstecken musste, wenn der Butenschön-Fall angeblich so gefahrlos war.
»Ich habe der Sache von Anfang an nicht recht getraut«, sagte sie und verschränkte ihre Arme vor der Brust. »Von wegen unspektakulär! Gut, du musst selbst wissen, was du tust. Aber halte mich wenigstens auf dem Laufenden, anstatt mich mit Floskeln ruhig zu stellen.«
»Ich weiß doch selbst nicht genau, worum es Koschak geht. Morgen Abend soll die Übergabe stattfinden, deshalb habe ich ihm Unterschlupf gewährt. Ich will in diesem blöden Fall endlich weiterkommen.«
Dabei beließen wir es. Christine war tatsächlich ein bisschen sauer, dass der Einkauf mal wieder an ihr hängen geblieben war. Vielleicht roch der Sauerbraten deshalb so gut, den sie mitgebracht hatte. Ja, sie war auf meine Anregung eingegangen und hatte alles besorgt, was zu einem zünftigen Knödelgericht benötigt wurde. Während sie in der Küche schuftete, erzählte ich ihr von Schnakenbach und seinen seltsamen Bräuchen. Dann deckte ich den Tisch und benahm mich überhaupt, wie es ein braver Ehemann am gemeinsam zu verbringenden Feierabend tut. Auf den Englischen Jäger verspürte ich nach der gestrigen Orgie keine Lust, außerdem hatten sie mir im Odenwald genug Alkohol eingeflößt.
Bald schwammen die Knödel in einer dampfenden Prachtsoße, und als wir gerade angefangen hatten, läutete es an der Tür. Christine ließ das Besteck sinken.
»So etwas hasse ich ja. Ist das dein Journalist?«
Nein, es war nicht mein Journalist, dafür war es mein Freund Fatty. »Tachchen«, sagte er. »Ich war gerade in der Gegend und dachte, ich schau mal kurz rein.«
»Tachchen«, sagte ich. »Wir sitzen gerade beim Essen.«
Dann sahen wir uns an und merkten, dass wir soeben den dümmsten Dialog fabriziert hatten, seit wir uns kannten. Den dümmsten und krümmsten, obwohl wir beide ›gerade‹ gesagt hatten. Mein Gott, gerade in der Gegend war Fatty so gut wie immer, schließlich wohnte er nur drei Straßen weiter. Und was spielte es für eine Rolle, ob wir gerade beim Abendessen saßen oder vorm Fernseher, wenn ein Kumpel an der Tür klingelte? Das war wirklich zu albern!
»Schaue ich halt morgen noch mal vorbei«, meinte er achselzuckend.
»Untersteh dich! Du kommst jetzt rein und isst was mit.«
Letzteres tat er allerdings nicht. Knödel machten ja dick oder unglücklich oder beides. Überhaupt war es eine seltsame Atmosphäre an diesem Abend. Fatty, der mich vorhin noch am Telefon abgewimmelt hatte,
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