Butter bei die Fische: Ein Ostfriesen-Krimi (Piper Taschenbuch) (German Edition)
Anzeigenseite zufrieden zusammen und steckte sie in die Tasche.
Dann ging er hinüber ins Büro. Arthur hatte Dienst im Glaskasten. Er erkundigte sich nach Elias’ Kopfschmerzen, und sie plauschten miteinander über die Gefahren, die vom weiblichen Teil der Bevölkerung ausgingen. Arthur lebte gerade in Scheidung, Elias dachte an seine Mutter. Sie hatten sich einiges zu sagen.
Oben im Büro wartete Hedda. Ihre Füße lagen auf dem Schubladenkasten des Schreibtisches, ihr gewaltiger Busen sprengte die Bluse, sie rauchte eine Zigarette.
»Na, du auch mal wieder hier?«, begrüßte sie Elias. »Der Doktor von den Coordes’ sagt, dass man nicht wissen kann, was Bartel Coordes noch versteht, weil ein Schlaganfall individuelle Schäden anrichtet, sich also bei jedem anders äußert. Die Einzige, die vielleicht Genaueres weiß, ist Oma Inse, die ihn versorgt.«
»Das hilft nicht weiter«, meinte Elias, notierte die ärztliche Aussage aber trotzdem auf dem ersten gelben Zettel seines neuen Haftnotizblocks. Die Blumentöpfe, die Schreibtischlampe, die Rückseiten der Aktenordner und das Fenster, wo er seine Zettel untergebracht hatte, wirkten schon ziemlich gelb, was mit den Forsythien draußen vor dem Fenster harmonierte, aber leider auch ein Zeichen war, dass sie mit ihrem Fall nicht so rasch vorankamen, wie man es sich erhoffte.
»Und du?«, fragte Hedda.
»Bitte?«
»Womit hast du dir die Zeit vertrieben?«
»So mit diesem und jenem«, murmelte Elias und starrte geistesabwesend auf die Zettel.
»Redest wohl nicht gern drüber, hm? Hörst dir an, was andere sagen, aber bist selbst ’n Stiller.« Hedda wartete kurz, dann stand sie auf und ging hinaus.
Elias zuckte zusammen, als die Tür knallte. Er rieb seine Schläfe. Dann zog er das Smartphone aus der Tasche und begann zu telefonieren, und anschließend machte er sich auf den Weg nach Neermoor. Sein Schädel hörte nicht auf zu schmerzen, und obwohl er ein geduldiger Mensch war, begann ihn das allmählich zu nerven.
Die überschwemmte Wiese, auf der die ostfriesischen Kinder eisliefen, wenn das Wetter danach war, lag hinter Neermoor an einem Flüsschen. Jetzt blühte dort Wiesenschaumkraut, und das Gras wuchs knöchelhoch. Elias stapfte durch das Grün. Unter seinen Füßen gab die lockere Erde nach, seine Schuhe platschten im Matsch, in der Ferne rauschte die Autobahn. Er hielt auf eine kleine Holzhütte zu, in der im Winter wohl die Eintrittskarten für die Eisläufer verkauft wurden. Jetzt gab es nichts zu verkaufen, und das große Fenster war durch Läden versperrt.
Die Tür ließ sich aber problemlos öffnen, und als Elias in das von silbrig-schwebendem Staub durchzogene Zimmerchen sah, entdeckte er eine Isomatte, auf der ein Kopfkissen und eine Bettdecke lagen. Die Bezüge waren grün-blau kariert, so wie sie auch auf Oma Inses Leine hingen. Auf dem wackligen Tisch standen einige leere Mineralwasserflaschen. Daneben lagen Lakritztüten. Alles klar. Dies war der Ort, wohin Bärbel sich verkrochen hatte.
Sein hämmernder Schädel erinnerte ihn daran, sich umzudrehen, aber Bärbel lauerte nirgendwo. Mit der Hand an der Schläfe sammelte Elias Kassenbons auf und sah, dass der aktuellste von Aldi stammte und auf den neunundzwanzigsten April um neun Uhr achtunddreißig datiert war. Auf gestern also, bevor Bärbel ihm eins übergezogen hatte. Hatte sie danach nicht mehr in der Hütte bleiben wollen? Sich irgendwohin in die Ferne gerettet, wo sie sich vor der Polizei sicher fühlte? Aber hätte sie ihre vertraute Umgebung verlassen? Er hob das Kissen auf. Nein, dachte er. Wenn sie fort wäre, hätte sie in jedem Fall das Bettzeug mitgenommen. Bärbel würde hierher zurückkehren.
Er überlegte, ob er die Kollegen anrufen sollte, um die Hütte überwachen zu lassen, aber dann stellte er fest, dass er sein Smartphone im Büro vergessen hatte. Also kaufte er sich ein weiches Brötchen und eine Tüte Milch, machte es sich in seinem Auto bequem und wartete selbst.
Sie kam nicht, und nach einer durchwachten Nacht machte Elias sich mit verspannten Muskeln und einem immer noch pochenden Schädel auf den Weg zurück nach Leer. Olly saß auf seinem Schreibtischstuhl und unterhielt sich mit Hedda. Als er den Raum betrat, verstummten die beiden und sahen angelegentlich zum Fenster. Das konnte man nun deuten, wie man wollte.
Harm kam hinzu, und Elias erklärte, was er in der Hütte bei der Eislaufwiese gefunden habe. Olly meinte, dass karierte Bettwäsche und
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