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Butter, Brot und Laeusespray

Butter, Brot und Laeusespray

Titel: Butter, Brot und Laeusespray Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wigald Boning
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Begierde, ein Dokument der Ekstase. Und während wir dies lesen, schießt uns das Blut in die Lenden, wir sinken zu Boden, greifen nach dem Nächstbesten und eifern dem Beispiel dieses Zettels nach; wir rollen heftig keuchend zwischen den Supermarktregalen hin und her,bringen die Fleischtheke zum Beben, Wellen der Wollust überschlagen sich in uns, wir verlieren allen Halt, alle Hemmungen, ja, wir geben uns ganz hin und schreien es laut heraus: Hurra! Laminatpflege, jetzt!

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    Wie behauptete einst eine süffige Weißbierwerbung? Deutschland ist schön, seine Landschaften typisch, seine Bauwerke weltberühmt. Und seine Einkaufszettel erst! Beredte Zeugnisse deutscher Lebensart. Der Fachmann vermag vielen Einkaufszetteln sogar anzusehen, in welcher Ecke unseres Vaterlandes er verfasst wurde. Zum Einstieg ein besonders folkloretrunkenes Beispiel, und zwar, weil’s grad so gut passt, aus Deutschlands Weißbiermetropole. Durchstreift man Anfang September die Münchener Supermärkte, stolpert man vermehrt über Listen, auf denen «Dirndl» notiert sind. Dieses Exemplar stammt aus dem Untergeschoss des Kaufhofs in der Neuhauser Straße. Das Dirndl verweist auf das bevorstehende Oktoberfest, das bekanntlich in den letzten Jahren zunehmend gehosledert und verdirndelt wurde. Früher sah man auf der Theresienwiese Besoffene in Monturen aller Art, heute ist die Dominanz der bajuwarischen Tracht unangefochten. Wahrscheinlich handelt es sich hierbei um eine Folge der Globalisierung, um einen Hunger auf Heimat, der mit dem Durst auf Bier verschwistert ist, und wenn Ruhrpottler und Berliner beim Wiesn-Besuch Lederhose und Sepplhut tragen, kann man sogar getrost von blindwütigem Verwurzelungswillen sprechen. Als jemand, dem Verkleidungen aller Art eher unangenehm sind, fällt es mir persönlich schwer, diesem Trend zu folgen. Jedenfalls trage ich auch weiterhin selten Dirndl, Punkt.

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    Wer Lust hat, kann jetzt ein Quiz spielen. Auf geht’s. Na? Wo kommt denn dieser Zettel her? Dirndl war puppig, der vorliegende Zettel ist hingegen für Fortgeschrittene. Am leichtesten kommt man auf die Lösung, wenn man den Zettel laut in verschiedenen Dialekten liest. Zu einer bestimmten Mundart passt das Notierte besonders gut. Bier, Wasser und Bohnen ist noch bundesweiter Standard, der berühmte Groschen könnte dann in Zeile drei fallen: «Was Wurst». Liebe Leser, deklamieren Sie ruhig einmal «Isch hätt’ gern was Wurst», laut und tief, gerne mit einem Schuss Frohsinn in der Stimme. Erkannt? Genau, «Was Wurst» – diese Mengenangabe verwendet ausschließlich der Rheinländer. Auch der letzten Zeile lässt sich mit gutem Willen eine rheinische Verortung zuschreiben: «Supp». ’ne «Supp’» . (bzw. eigentlich ’ne «Zupp») löffelt man besonders gern im Schatten des Kölner Domes, und unwillkürlich sehe ich meine liebe Kollegin Hella von Sinnen nebst ihrer Conny «em Unkelbach» oder «Bei d’r Tant» sitzen und beim Köbes zum Kölsch ne jute Zupp un’ «was Wurst» bestellen. Dieser Einkaufszettel kommt übrigens aus Düren, dem Tor zur Nordeifel. Düren liegt zwischen Köln und Aachen, und der dort gepflegte ripuarische Dialekt, das Dürener Platt, ist durch die Mundartband «Schweess Fööss» . (Schweißfüße) weithin bekannt. Besonders empfohlen seien ihre Evergreens «Boh iss dat geil!» und «Loss doch bloss deng Söck ahn» – aber dies nur nebenbei.

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    Diesen rückseitig beschrifteten Kassenbon fand ich in der Karstadt-Filiale Hamburg-Mönckebergstraße. Streichwurst und Tomatenpupse gibt es überall, eine echte Hamburgensie sind hingegen die «Rundstücke» in Zeile 3.   Für die ganz und gar Ahnungslosen: «Rundstück» ist hamburgisch für Brötchen.
    Grundsätzlich gilt: Wenn ich die Herkunft eines Einkaufszettels untersuche, gehe ich die Liste zunächst nach eventuell notierten Miniaturbroten durch; einerseits gehören Brötchen zum kleinen Shopping-Einmaleins und werden demnach oft notiert, andererseits gibt es für kaum ein Alltagsprodukt so eindeutige, jeweils einer bestimmten Region zuzuordnende Dialektbezeichnungen. Die Semmel (Bayern), das Weggli (Schweiz), die Schrippe (Berlin), daneben endemische Bezeichnungen wie Breetl, Mehlmuhle, Weißblutsch, Nilsen oder Schlupp. Wie? Kennen Sie nicht? Nie gehört? Okay, ich fühle mich ertappt; ich habe mir die «endemischen Bezeichnungen» kurzerhand ausgedacht, weil ich trotz hartnäckiger Googelei im Internet diesbezüglich nichts finden kann. Ich hab’s

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