Butterblumenträume - Rath, C: Butterblumenträume
gehen und endlich einmal den ganzen anderen Blödsinn zu vergessen. Vielleicht habe ich mich ja wirklich einem Hirngespinst hingegeben und mein eigentlicher Platz ist hier?
Doch dann sehe ich Leon. Er ist nicht allein, sondern hält eine Frau im Arm, und sie hat ihren Kopf an seine Schulter gelehnt. Ihr blondes, lockiges Haar fällt ihr engelsgleich über die Schultern, und sie ist ein ganzes Stück kleiner als er. Obwohl die beiden noch ein ziemliches Stück entfernt sind, erkenne ich genau, wen er in seinen Armen hält, schließlich habe ich genug Fotos von den beiden gesehen. Es ist Lisa.
Habe ich instinktiv die letzte Zeit geahnt, dass da noch jemand ist. Nur die falsche Frau hatte ich im Verdacht. Die ganze Zeit dachte ich, Anouk würde sich an ihn heranmachen, dabei war es Lisa, seine Exfrau, die Weinkönigin, die ihm vor Jahren das Herz gebrochen hatte. Ich schlucke die aufsteigenden Tränen hinunter und renne den ganzen Weg zurück zu meinem Auto. Der Motor des Minis heult auf, und mit quietschenden Reifen düse ich vom Hof. Im Rückspiegel sehe ich noch Emily, die mir winkt, ich solle umdrehen. Doch ich weiß, dass ich heute zum letzten Mal auf dem Weingut gewesen bin.
*
Ich fahre zurück auf die Bundesstraße, aber da ich die Tränen nun wirklich nicht mehr zurückhalten kann, sehe ich nach einer Weile fast nichts mehr. Am liebsten würde ich mir eine Flasche Wodka kaufen und so viel trinken, bis ich besinnungslos bin. In diesem Moment kann ich die Alkoholiker verstehen, die das tun. Manchmal weiß man einfach nicht mehr ein noch aus. Ich stelle mein Auto auf dem Parkplatz der Klosterkirche Birnau ab und laufe die paar Schritte zu dem Platz vor der Kirche, von wo aus man einen traumhaft schönen Blick auf die umliegenden Weinberge und natürlich den See hat. Automatisch beruhigt sich mein Atem, als ich die schöne Natur vor Augen habe. Warum bin ich bloß so enttäuscht? Im Grunde bin ich doch selbst schuld an dieser Situation. Mit meinem Verhalten in der letzten Zeit habe ich Leon ja nun nicht gerade zu verstehen gegeben, dass ich ihn liebe und die Frau an seiner Seite bin. War eigentlich klar, dass er sich irgendwann anderweitig orientiert. Warum er dann vor ein paar Tagen noch unbedingt wollte, dass ich zu ihm ziehe, ist mir allerdings schleierhaft. Die Sonne beginnt unterzugehen und taucht den See in rosa-orangefarbenes Licht. Das einzig Beständige im Leben ist doch die Natur. Es wird immer wieder Abend und immer wieder Morgen. Nach jedem Winter folgt ein neuer Frühling. Und auch mir wird es bald besser gehen, ganz sicher.
Endlich habe ich mich wieder im Griff und kann weiterfahren. Doch ich biege in Nußdorf ab und fahre in die Seestraße. Ich muss in die ›Butterblume‹, um zu wissen, ob hier meine Zukunft ist. Gerade heute ist mir unheimlich wichtig herauszufinden, wohin ich gehöre.
Wie üblich, fühle ich mich sofort zu Hause, als ich das Haus betrete. Ich gehe in das große Wohnzimmer, mache die Tür zur Terrasse auf und atme die Abendluft ein. Es ist so still und friedlich hier. Das Boot ›Sommerwind‹ schaukelt auf dem Wasser hin und her, als hätte es den Segeltörn von Christian und mir nie gegeben.
Ich muss das alles vergessen und ganz von vorne anfangen. Ich war so lange unsicher und habe gezögert. Das hat mich nun endgültig meine Beziehung zu Leon gekostet. Aber, wenn ich ehrlich bin, war ich mit ihm ohnehin nicht mehr richtig glücklich. Und auch wenn das mit Christian nur ein kleines Abenteuer war, so doch ein wunderschönes, und es wäre sicher nicht passiert, wenn ich immer noch in Leon verliebt gewesen wäre.
Ich fühle, dass ich hierher gehöre. Auch wenn ich im Augenblick nicht weiß, wie ich alles finanziell auf die Reihe kriegen soll, so bin ich mir doch endgültig sicher, dass ich hier leben will. Ich wünschte zwar, dass Nini mit mir hier einziehen würde, aber ich verstehe auch sie. Als ich heute Leon und Lisa eng umschlungen zusammen gesehen habe, hat mir das sehr weh getan. Wie muss Nini sich dann erst fühlen. Sie hat Marcus so sehr geliebt. Nicht nur, dass er sie verlassen hat, als sie ihn am meisten brauchte, jetzt muss sie auch noch mit ansehen, dass er eine andere liebt. Ein wenig Abstand wird ihr sicher guttun, und London ist ja schließlich nicht aus der Welt. In knapp zwei Stunden fliegt man von Stuttgart dorthin, also sind es insgesamt nur vier Stunden, die uns trennen, so dass wir uns jederzeit besuchen können, wenn wir Sehnsucht haben. Und
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