Butterblumenträume - Rath, C: Butterblumenträume
hatte. Und ich glaube, Jojo sieht das genauso. Wärst Du bitte so freundlich und würdest Dich in Zukunft um Jojo kümmern? Als kleines Dankeschön dafür hinterlasse ich Dir ein bisschen Geld und mein Haus natürlich. Nein, keine Widerrede. Von Seiten meiner Verwandtschaft gibt es nur noch den nichtsnutzigen Sohn meiner Schwester, und der wird es garantiert versaufen. Eine eigene Familie hatten Hermann und ich ja leider nicht, wie Du weißt.
Bei Dir weiß ich alles in guten Händen. Ich habe das schon einem Notar in Friedrichshafen mitgeteilt. Nur, dass Du vorab informiert bist. Von dem Geld kannst Du Deinen Traum mit der ›Butterblume‹ verwirklichen. Ich hätte es Dir sowieso gegeben. Aber natürlich hätte ich gerne noch gesehen, wie Leben dort einzieht und die Leute auf der Terrasse meinen friesischen Teekuchen essen. Der liebe Gott will es anders mit mir, das spüre ich.
Das Haus, in dem mein Hermann und ich so glücklich waren, kannst Du gerne verkaufen. Vielleicht zieht dort eine nette Familie ein mit einem kleinen Mädchen, das mit dem Hund im Garten spielt? Nur an eine Schönheitsklinik darfst Du es nicht verkaufen, aber das wirst Du ohnehin nicht tun. Ich habe schon mit Herrn Aschenbrenner darüber gesprochen. Sehr netter Mann übrigens. Hält große Stücke auf Dich und sagt, Du wärst seine beste Angestellte gewesen. Er hat mich im Krankenhaus besucht und meinte, es sei kein Problem, das Haus für einen guten Preis zu verkaufen. Von dem Geld könntest Du eventuell die ›Butterblume‹ kaufen. Ich denke, Christian würde sie Dir bestimmt verkaufen, jetzt, wo er in Kanada ist. Natürlich könntest Du auch das Café in meinem Haus eröffnen, doch ich glaube nicht, dass das so eine gute Idee wäre. Erstens sind die Räume nicht so großzügig und dafür geeignet. Und zweitens hast Du diese ›Magie‹ des Zuhause-Seins nur in der ›Butterblume‹ gespürt. Und deshalb folge Deinem Herzen, verwirkliche Deinen Traum. Jetzt erst recht.
Du wirst Erfolg haben, das weiß ich. Mach aus der ›Butterblume‹ das hübscheste Café weit und breit.
Und ich werde vom Himmel auf Dich herunterschauen und stolz auf Dich sein.
Aber vor allem: sei nicht traurig. Ich bin glücklich, dass ich Dir begegnet bin und Dich in meinen letzten Monaten zur Freundin gewonnen habe. Dass ich etwas Sinnvolles hinterlassen kann. Und trotzdem möchte ich jetzt lieber bei meinem Hermann sein. Das verstehst Du doch, oder?
Denke immer daran: Freundschaft ist wichtig. Liebe ist alles. Geh Deinen Weg. Ich werde immer bei Dir sein …
Ich hab Dich lieb
Deine Frieda
PS: In meiner Küche findest Du in dem alten Küchenschrank ein rosa Kochbuch mit ein paar Rezepten, die Du sicher im Café verwenden kannst.
*
Von allen Abschieden ist dies der schwerste. Ich glaube, ich ertrage es nicht. Obwohl ich Frieda erst so kurz kannte, standen wir uns so nah. Zum Glück ist Emily fast jeden Tag bei mir und hilft mir bei allem. Gemeinsam bereiten wir die Beerdigung vor, aber auch in der ›Butterblume‹ gibt es viel zu tun. Emily organisiert die Handwerker, die uns die Wand von der Küche zum Wohnzimmer herausbrechen, drei verschiedene Toilettenräume einbauen, und sie hilft mir beim Streichen des Gastraums. Die viele Arbeit lenkt mich von meinem Kummer ab, und abends falle ich, nachdem ich noch einige E-Mails an meine Lieben in Amerika und England geschrieben habe, todmüde ins Bett.
Der Tag der Beerdigung ist ein unglaublich schöner Herbsttag. Wie die Sonne so herrlich das bunte Laub beleuchtet, fällt mir wieder mein Lieblingsgedicht von Rilke ein. ›Herr: es ist Zeit. Der Sommer war sehr groß …‹
In gewisser Weise kann man das auch auf Frieda übertragen. Sie hatte ein gutes Leben, aber jetzt war es Zeit für sie zu gehen. Und ich muss loslassen, das hat sie immer wieder gesagt, egal, ob es um Nini ging oder um meine Mutter. Und nun um sie selbst. Der evangelische Pfarrer, mit dem ich kurz über die Beerdigung gesprochen hatte, hält eine zu Herzen gehende Rede in der Aussegnungshalle, in der Friedas Sarg aufgebahrt ist. Emily und ich haben ein schönes Foto von ihr ausgesucht, welches daneben steht, und als Blumenschmuck weiße Lilien ausgewählt. Die passen zu Frieda, weil sie schön und edel sind. Viele Leute sind nicht gekommen, denn sie war ja nicht von hier, und von ihren ostfriesischen Verwandten sind die meisten nicht mehr am Leben. Und dem ›Suffkopp‹-Neffen war der Weg wohl zu weit, obwohl wir ihn
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