Butterblumenträume - Rath, C: Butterblumenträume
kürzlich habe ich gelesen, dass man vorsichtig sein soll mit diesen ganzen Internetbekanntschaften, und das ist schließlich so was Ähnliches. Im Grunde können einem die Typen sonst was erzählen, und dann sitzen sie vielleicht im Knast, während sie von ihrem Garten schwärmen, oder hängen zu Hause rum und haben gerade die letzte Brieffreundin zersägt, im Garten verscharrt oder in die Wand einzementiert. Bei der Gelegenheit fällt mir ein, dass ich heute unbedingt in ›Monis Bücherstube‹ reinschauen muss, um mir einen Krimi zu holen.
Da ich keine Lust auf großes Styling habe (das kann ich heute Abend zur Genüge tun), bleibe ich in meinen Jeans und der weißen Baumwollbluse und schiebe lediglich ein rotes Haarband in die Locken. Ein wenig Lippenstift und fertig. Ich wünsche Nini viel Spaß mit Marcus und marschiere los.
Unglaublich, was an einem Samstagmittag in unserer kleinen Stadt los ist. Das schöne Wetter hat Einheimische wie Touristen gleichermaßen herausgelockt, und ich bin froh, dass ich keinen Parkplatz suchen muss. Ich gehe über den Markt und freue mich über die vielen bunten Farben der Blumen- und Obststände. Natürlich kann ich nicht widerstehen und gönne mir einen bunten Bauernblumenstrauß, bestehend aus Grasnelken, Tränenden Herzen, Flieder und Akeleien. Wie die duften! Moment mal, ist das nicht Irma? Na klar, das ist unverkennbar der federnde Gang unserer ›Büromaus‹. (Herrn Aschenbrenners Ausdruck, nicht meiner.)
»Hallo, Irma.«
Offenbar hat sie sich mal wieder eine neue Haarfarbe zugelegt. Das macht sie andauernd, und ich frage mich, wie ihre Haare das aushalten. Diesmal sind sie rotblond, vorgestern waren sie noch tizianrot. Und davor dunkelbraun. Aber das gefiel mir nicht so an ihr, damit sah sie zu streng aus. Das Rotblonde passt wirklich gut zu ihrem Typ mit der blassen Haut. Anscheinend freut sie sich, mich zu sehen, denn sie fragt, ob wir einen Kaffee trinken gehen sollen. Ich verneine, denn den hatte ich ja gerade, und nachdem sie mir erzählt hat, dass sie gestern tatsächlich ein bisschen ›unpässlich‹ war, wünschen wir uns ein schönes Wochenende und gehen weiter. Mist, jetzt habe ich doch tatsächlich vergessen zu fragen, ob sie das Exposé für die Rütlis abgeschickt hat. Na, das kann ich ja am Montag im Büro noch machen. Auf dem Weg zu Monis Bücherstube komme ich an einem kleinen Geschäft vorbei, das neu aufgemacht zu haben scheint. Mein Blick bleibt am Schaufenster hängen, das sehr hübsch mit besonderen Dingen dekoriert ist. Schöne Taschen, tolle Schuhe, hübsche Ketten. Aber das Allerschönste im Fenster ist ein grünes Kleid, welches auf einer Schaufensterpuppe dekoriert ist. Es ist tief ausgeschnitten, aber nicht zu tief, ärmellos, und changiert in verschiedenen Grüntönen, von hell über oliv zu ganz dunklem Grün. In der Taille wird es ganz schmal mit einem breiten Band nach hinten gebunden, und der Rock fällt glockig bis knapp zum Knie. Es ist einfach nur schön. Doch bevor ich mir überlegen kann, ob ich die knapp 100 Euro dafür auf dem Konto habe bzw. etwas Unüberlegtes tun kann, entdecke ich, dass sie bereits geschlossen haben. Schicksal. Also soll es nicht sein, schade – dies wäre mal ein Kleid, um die Römfeld-Damen angemessen zu beeindrucken, ganz zu schweigen von Leon. Nachdem ich viel Zeit in der Bücherstube verbracht habe und ein bisschen durch die Stadt und am See entlanggebummelt bin, rufe ich Eva an und frage sie, ob sie mir heute noch die Haare machen kann. Sie kann. Und ich freue mich fast ebenso sehr, sie wiederzusehen, wie auf meinen Liebsten.
Da Nini noch nicht wieder zu Hause ist, muss ich mein heutiges Outfit selbst zusammenstellen. Na gut, heute ist das nicht ganz so kompliziert, schließlich muss ich keine Konkurrenz fürchten, hoffe ich wenigstens. Ich entscheide mich für das pinkfarbene Top, das mir meine Freundin Carol aus London zum letzten Geburtstag geschickt hat, und eine gut sitzende schwarze Hose. Mit einem Paar schwarzen Lackpumps dürfte das elegant, aber nicht zu aufgestylt wirken, also genau richtig für Leon. Carol und ich sind schon viele Jahre befreundet, genau genommen, seit ich mit 17 auf Klassenfahrt in London und Carols Familie meine Gastfamilie war. Sie war die Tochter des Hauses und wir mochten uns auf Anhieb. Seitdem haben wir uns immer geschrieben und gegenseitig besucht. Inzwischen ist Carol mit einem wunderbaren Mann namens Peter verheiratet und eine erfolgreiche
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