Butterblumenträume - Rath, C: Butterblumenträume
mich ertappt, als hätte ich etwas Unrechtes getan. Schnell stehe ich auf und will gehen.
»Äh …, hallo«, sage ich und komme mir vor wie in der Schule, als ich zur Tafel gerufen wurde. Was zum Teufel macht der denn hier? Heute ist Sonntag, da sollte er doch frei haben. Und was soll der Spruch mit meinem Notizbuch? Das kann er unmöglich gefunden haben, denn erstens besitze ich gar kein Notizbuch, folglich kann ich es auch nicht hier verloren haben. Gut, das weiß er ja nicht. Aber was hat er denn da gefunden? Er geht zu dem großen Blumentopf, und ich habe Gelegenheit, ihn von hinten zu betrachten. Verdammt knackiger Hintern in den engen Jeans, stelle ich fest und schaue schnell weg, bevor er zurückkommt. Er grinst mich schon wieder so frech an, und ich bemerke, dass er statt des hässlichen Pullovers von neulich zur Abwechslung ein weißes Hemd trägt.
»Haben Sie heute nicht frei?«, frage ich ihn.
»Doch, schon«, antwortet er.
»Aber ich habe hier etwas vergessen. So wie Sie.« Und er wedelt mit einem kleinen schwarzen Notizbuch von der Sorte, wie man es von der Versicherung oder der Tankstelle zu Weihnachten bekommt, vor meiner Nase herum. Will er mich auf den Arm nehmen? Weil er mich so begeistert anstrahlt, mache ich ihm die Freude und betrachte das kleine Notizbuch von allen Seiten.
»Nein, das ist nicht meins«, sage ich bedauernd, »mein Notizbuch ist rot und ein bisschen größer«, lüge ich dreist.
»Ach so.« Er ist enttäuscht. »Dieses lag da hinten beim Tor, und ich dachte, da Sie ja Ihres verloren haben, gehört es bestimmt Ihnen.«
»Leider nein. Trotzdem vielen Dank für Ihre Mühe«, bedanke ich mich artig. Immerhin scheint er ja wirklich an mich gedacht zu haben.
»Gern geschehen. Ja, Sie sahen neulich so traurig aus, und ich dachte, es sei Ihnen wichtig. Bestimmt brauchen Sie es für Ihre Arbeit?«, fragt er, und nun weiß ich gar nicht mehr, was ich sagen soll. Ich kann mich unmöglich in noch weitere Lügen verstricken.
»Ach nein, so wichtig war es nun auch wieder nicht«, antworte ich ausweichend. Er nickt.
»Na ja. Hübsches Kleid übrigens.« Und ich laufe knallrot an.
»Ist es nicht herrlich heute Abend?«, fragt er.
»Ich glaube, Sie haben die Stimmung gerade auch sehr genossen, bis ich Sie gestört habe. Bleiben Sie doch noch einen Moment. Haben Sie etwas dagegen, wenn ich mich ein bisschen dazusetze?«
Wir setzen uns beide auf die kleine Treppe und sagen kein Wort, sondern genießen die Abendstimmung. Seltsam, ich sitze hier nicht nur mit einem mir absolut fremden Mann, sondern ich halte mich auch unberechtigterweise in einer völlig fremden Umgebung auf, aber ich habe kein bisschen Angst und ich fühle mich auch nicht unwohl.
Nach einer ganzen Weile sieht er mich an und fragt: »Ihnen gefällt es hier, stimmt’s?« Dieser Satz trifft es genau. Wie recht er hat. In diesem Moment möchte ich nirgends sonst auf der Welt sein. Aber ich kann das unmöglich vor ihm zugeben, also erwidere ich leichthin: »Genau genommen, bin ich doch eher im Dienst hier. Das Objekt soll, wie ich hörte, verkauft werden?«
»Das Objekt?«, fragt er und scheint irritiert. »Ich dachte, Sie seien bereits die Käuferin?«
Ach herrje. Wie komm’ ich aus der Nummer wieder raus? Ich stehe lieber auf, gehe ein paar Schritte zum Wasser hinüber und werfe ein paar Steine hinein. Er lacht schon wieder und kommt mir nach. Er nimmt einige flache Steine und lässt sie über die Wasseroberfläche hopsen.
»Das hat man Ihnen wohl als Kind nicht gezeigt, oder? Übrigens, ich heiße Christian.« Er streckt mir die Hand herüber, ich nuschle »Maja« und nicke ihm zu.
»Segeln Sie gerne, Maja?«, fragt er mich unvermittelt.
»Keine Ahnung, das hab ich noch nie ausprobiert«, antworte ich, »aber wenn ich die weißen Segel so sehe, denke ich oft, dass es einen Versuch wert wäre.«
»O ja, das ist es auf jeden Fall. Auf dem Wasser ist alles so weit weg, der ganze Stress und der Alltag. Man kann auf einem Segelboot so schön entspannen«, antwortet er.
Worauf ich ihn frage: »Haben Sie denn ein Boot?«
»Ja«, meint er und blickt dabei in die Ferne zu den weißen Segeln auf dem See, »aber es ist leider noch nicht im Wasser. Hatte noch keine Zeit, aber ich hoffe, ich komme bald dazu. Vielleicht haben Sie ja mal Lust, mitzusegeln?« Und er sieht mir dabei in die Augen.
Hoppla. Flirtet er etwa mit mir? Mir fällt ein, dass ich ja in festen Händen bin, da darf ich doch nicht mit einem anderen Mann
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