Butterblumenträume - Rath, C: Butterblumenträume
unser Bestes, dabei spielt das Radio die neuesten Hits und die Arbeit läuft wie von selbst. In der Mittagspause setzen wir uns mit einem Eis an die Uferpromenade, und manchmal holt Irma uns am Nachmittag einen leckeren Cappuccino vom Italiener an der Ecke des Münsters. Unsere Stimmung ist gut, auch wenn Herr Aschenbrenner uns jeden oder doch jeden zweiten Tag anruft, um uns neue Anweisungen zu geben. Anscheinend hat er auf Mallorca einige tolle Immobilien aufgetan, die er seinen Golffreunden am Bodensee anpreisen will. Natürlich vergisst er vor lauter ›Arbeit‹ im sonnigen Süden nicht die heimischen Objekte. Deshalb ruft er mich auch am Mittwochabend auf meinem Handy an, weswegen ich aus der Badewanne hüpfen muss, nur um mir zu sagen, er hätte einen Interessenten für das Objekt 415 und ich solle bitte am morgigen Donnerstag um 15 Uhr einen Termin mit einem gewissen Herrn Beirer wahrnehmen, da er selbst ja noch unterwegs sei. Pflichtbewusst, wie ich bin, sage ich sofort zu, und erst hinterher fällt mir ein, was das Objekt 415 ist – die ›Butterblume‹. O nein! Angeblich befindet sich das Exposé dazu in Herrn Aschenbrenners Büro, wo ich auch Herrn Beirer empfangen soll. Als seine Stellvertreterin sozusagen, hahaha. Wahrscheinlich krault ihm gerade seine derzeitige Püppi sein feistes Doppelkinn, dass er so wiehern muss. Ich jedenfalls habe keine Lust mehr auf das Gespräch, denn ich stehe immer noch tropfnass nackt im Flur, also wimmle ich ihn ab. Nachdem ich ihm versprochen habe, all seine Wünsche und Aufgaben zu erledigen, wünsche ich noch einen schönen Abend und lege auf. Ich weiß nicht, warum ich so zittere, ob mir aufgrund der Nässe kalt ist oder weil ich die ›Butterblume‹ verkaufen soll. Ich verstehe gar nicht, warum mich das jetzt so mitnimmt. Es ist doch nur ein Haus, das verkauft werden soll. Gut, ich hatte einen schönen Traum, in dem es eine Rolle spielte. Aber was ist schon ein Traum?
Die Einzige, die von meinen Empfindungen weiß, weil ich ihr davon erzählt habe, ist meine Mutter. Und die hat mir geraten, mir diese Idee aus dem Kopf zu schlagen. Nini spürt, dass es mir nicht gut geht, aber ich will sie nicht mit meinen Gedanken belasten. Wahrscheinlich würde sie mich sowieso für verrückt erklären und Leon erst recht. Leon ist im Stress und hat immer nur Zeit für ein kurzes Telefonat. Er muss so viel vorbereiten für das Sommerfest auf dem Weingut und viele andere Aktivitäten, Weinmessen und dergleichen. Zum Glück scheint Anouk für ihn eine wirklich große Hilfe zu sein. Sie macht jeden Tag freiwillig Überstunden, grr!
Ich denke an meine Mutter und lasse mir meine Eifersucht nicht anmerken, sondern tue so, als freue ich mich für ihn, und bemitleide ihn ein wenig, weil er so viel Arbeit hat. Das hören Männer immer gern, wenn man sie wegen ihrer vielen Arbeit lobt und/oder tröstet. Doch wer tröstet mich?
In der Nacht schlafe ich schlecht und träume lauter wirres Zeugs. Am nächsten Morgen bin ich wie gerädert und würge mir nur einen Kaffee hinunter. Ich ziehe ein seriöses, graues Business-Kostüm an mit einer schlichten, weißen Bluse darunter, mache mir einen ordentlichen Zopf und schminke die Augenschatten weg. Ein wenig rosa Lippenstift und ab ins Büro. Als Erstes gehe ich in Herrn Aschenbrenners Büro und suche das Exposé für Objekt 415. Warum nur zittern meine Hände so, als ich es aufschlage? Da sind sie, meine Fotos, eine komplette Beschreibung mit Quadratmeterzahlen usw. und ganz am Schluss das Wichtigste, die Kaufsumme: 950.000 Euro. Ich muss mich setzen. Eigentlich ist die Summe lächerlich angesichts der Traumlage und des großen Hauses. Allein das Grundstück dürfte in dieser Lage schon so viel wert sein. Nur für mich ist es viel zu viel, es sei denn, ich könnte mit einem Lottogewinn rechnen. Mit seiner krakeligen Schrift hat Herr Aschenbrenner auf ein gelbes Post-it die Adresse eines Anwaltsbüros in Stuttgart geschrieben und den Vermerk ›angeblich Erbengemeinschaft – weitere Details bei Anwalt erfragen‹. Ich halte das Exposé und den Schlüssel zu dem Haus immer noch in den Händen, als Irma hereinstöckelt.
»Guten Morgen, guten Morgen, guten Morgen, Sonnenschein«, trällert sie fröhlich und lässt lächelnd ein frisches Croissant auf meinen Schreibtisch fallen.
»Oh, là, là!«, sagt sie, »warum bist du so schick? Bekommen wir etwa Herrenbesuch?«
»Morgen, Irma«, antworte ich, »ja, bekommen wir, aber nicht, wie du denkst
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