Butterblumenträume - Rath, C: Butterblumenträume
ist aber auch drückend heute. Bestimmt gibt es bald ein Gewitter.
»Das müssen Sie mir jetzt aber mal erklären. Wieso müssen Sie sich von dem Haus verabschieden?«, fragt Christian, während wir unsere Cola trinken.
Tja, wie soll ich ihm das jetzt erklären? Am besten, ich fange ganz von vorne an. Wie ich zum ersten Mal hierher kam, weil Herr Aschenbrenner mich beauftragt hatte, Fotos von dem ›Objekt 415‹ zu machen. Und dass ich so ein vertrautes Gefühl hatte, als sei ich hier schon gewesen oder als ob ich nach Hause gekommen wäre, so blöd sich das auch für ihn anhören mag. Wir sitzen hier in der Hitze, trinken eisgekühlte Cola, und ich erzähle tatsächlich einem wildfremden Menschen die ganze Geschichte. Wie ich mit dem unsympathischen Herrn Beirer hier stand und er mit dem Plan für die Schönheitsklinik angab und dass er dazu ›die alte Hütte‹ abreißen wollte und ich ihn daraufhin belog, dass ›die Erben das Haus an einen Freund der Familie verkaufen wollten‹. Ich erzähle auch von meinem unsinnigen Besuch bei dem Rechtsanwalt in Stuttgart und dem darauf folgenden Ärger mit Herrn Aschenbrenner. Und dass ich deswegen jetzt arbeitslos bin.
Christian sieht mit unbewegter Miene aufs Wasser hinaus. Auf einmal schaut er mich an und fragt: »Dann warst du das also in Stuttgart?«
Diesmal sehe ich ihn verständnislos an.
»In meinem Büro?«, fragt er weiter.
Und so gaaanz langsam fällt bei mir der Groschen. Warum er so oft hier ist. Warum er sich um den Garten kümmert und das Haus. Und das Segelboot. Das Segelboot … Auf einmal bricht der Sturm los. Vor lauter Erzählen haben wir gar nicht gemerkt, wie dunkel die Wolken geworden sind und dass schon längst die Sturmwarnung läuft. Hier am Bodensee kann so ein Gewitter schnell aufziehen. Das Boot beginnt gefährlich zu schaukeln und Christian springt auf und läuft zum Steg. Mit geübten Handgriffen hat er die Persenning darüber befestigt und das Boot fest vertäut. Ich habe mich unter das kleine Vordach der Terrasse gestellt, denn es fängt auf einmal ganz fürchterlich an zu regnen. Christian kommt zurück, schnappt meine Hand, und wir laufen um das Haus herum, er schließt auf und wir gehen hinein.
*
Ich weiß nicht, wie ich mir das Innere der ›Butterblume‹ vorgestellt habe. Habe ich mir überhaupt irgendetwas vorgestellt? Ich weiß nur, dass ich in dem Moment, als ich das Haus betrete, wieder so ein eigenartiges Gefühl habe. So, als sei ich hier schon einmal gewesen. Vielleicht in meinem Traum? Wir gehen durch einen dunklen Flur, und Christian hält noch immer meine Hand, bis wir im Wohnzimmer angekommen sind. Jedenfalls glaube ich, dass es das Wohnzimmer ist. Wir stehen in einem riesigen Raum, der zur Terrasse führt. Aus den hohen Fenstern hat man einen fantastischen Seeblick. Der See ist im Moment so grau und düster wie der Himmel darüber, nur die Sturmwarnung leuchtet hell. Christian lässt mich los und geht zum Lichtschalter. Na ja, das ›Licht‹ besteht aus einer Glühlampe, die über dem Esstisch hängt. Der Esstisch ist ein großer, geschnitzter Holztisch, der vor dem größten Fenster steht. Ansonsten ist der Raum fast leer, bis auf einen schönen alten Sekretär mit dem passenden Stuhl davor, der in der Ecke steht. Komischerweise muss ich wieder an meinen Traum denken und wie wundervoll dieser Raum als Café geeignet wäre. Mit den großen Fenstern und dem Zugang zur Terrasse wäre er einfach perfekt dafür. Ich muss wohl ziemlich laut geseufzt haben, denn Christian lächelt mich auf einmal an und sagt: »Was ist los? Hast du etwa Angst, mit mir alleine?«
Mir fällt auf, dass er mich auf einmal duzt. Gut, damit habe ich kein Problem. Immerhin sehen wir uns heute ja nicht zum ersten Mal. Außerdem hat er vor ein paar Sekunden noch meine Hand gehalten.
»Nein, habe ich nicht. Aber woher weißt du von Stuttgart?«, frage ich ihn.
»Weil meine Sekretärin mir erzählt hat, dass vor Kurzem eine ziemlich hübsche Frau mit dunklen Locken in einem Trenchcoat hereinkam und mich sprechen wollte, wegen einer Immobilie in der Seestraße in Überlingen-Nußdorf. Und da dachte ich spontan an dich. Ich habe mich nur gefragt, warum du extra nach Stuttgart gekommen bist. Deine Fragen hätte ich dir auch hier beantworten können.«
Nun sollte ich eigentlich mit der Sprache herausrücken und ihm gestehen, dass ich ihn bis vor ein paar Minuten noch für den Gärtner gehalten habe.
»Ich gebe ja zu, das alles macht
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