Butterschmalz zum Fruehstueck
zerfließenden Schimmelpilzkäse. Natto wird aus vergorenen Sojabohnen gemacht, die sich in einem Stadium fortgeschrittener Verschleimung und Verwesung befinden. Man kann sich lange darüber streiten, ob sie mehr Ähnlichkeit mit dem Produkt eines expulsiven oder konvulsiven Verdauungsvorgangs haben, aber die Japaner erwarten, dass Europäer nicht zugreifen und sich vor Natto ekeln. Vermutlich würde einen Japaner verstören, wenn ein Europäer genüsslich Natto verspeist. Das Büffet bietet noch weitere Speisen, die den Westler ratlos zurücklassen, angefangen vom hervorragenden und sehr würzigen Glasnudelsalat, über den Räucherfisch und die unverzichtbare Misosuppe , die ebenfalls mit (anders) vergorener Sojapaste, Tofuwürfeln und Tang angesetzt wird. Heiße Misosuppe ist übrigens ziemlich magenkrebsfördernd. Dieser Krebs kommt in Japan relativ häufig vor, früher bei Männern noch häufiger, weil sie traditionell zuerst aßen. Wenn die Frauen aßen, war die Misosuppe schon kalt und damit harmlos, bzw. voller gesundheitlicher Segnungen. Über Geschmack kann man nicht streiten, aber diese Suppe ist mit Sicherheit nichts, was ich auf Dauer vermissen werde. Das einzige Gemüse, das es in größeren Mengen gibt, ist in Sojasoße gekochter Rettich. Und das zum Frühstück.
Als passionierte Teetrinkerin greife ich zu einer Teeschale, die ich dann fast fallen lasse, so heiß ist diese. Japanischer Tee ist gefühlte 200 Grad heiß und es dauert ewig, bis die Schale auf Trinktemperatur runtergekühlt ist. Deshalb kommt man kaum dazu, mehr als eine Schale zu trinken. Ist aber nicht so schlimm, schmeckt nämlich nicht so toll.
In Tütchen verpackt gibt es Streifen aus Seetang, mit denen man den Reis umrollt , sodass sich eine kleine Roulade formt. Ich gucke total fasziniert zu, wie geschickt die Japaner das machen, aber bald gelingt es mir selber.
Als Erstes fahren wir zum Meiji-Schrein, wo der Geist des Meiji-Kaisers eingeschreint ist. Etwa fünfundachtzig Prozent der Japaner sind Shintoisten und ungefähr fünfundachtzig Prozent sind Buddhisten. Gibt nach Adam Riese hundertsiebzig Prozent und kann nicht sein. Oder doch?
Doch! „Du sollst nicht andere Götter haben neben mir“ gilt nämlich nicht für die japanischen Religionen, und so sind fast alle Menschen gleichzeitig Shintoisten und Buddhisten. Der Shinto ist eine Naturreligion, die ich als sehr verspielt empfinde. Ihr zufolge ist die Welt voller Geister, die mitten unter den Menschen leben. Wichtige Geister befinden sich in einem Schrein, aber auch ein Baum oder ein Stein kann von einem Geist bewohnt sein und wird dann eingezäunt. Damit die Geister sich nicht unbotmäßig herumtreiben, werden sie durch gezackte Papierstreifen, die an Seilen befestigt sind, in Zaum gehalten.
Das Shinto-Gotteshaus heißt Schrein und zeichnet sich dadurch aus, dass am Eingang ein sogenanntes Torii , ein Tor, steht. Die Buddhisten nennen ihr Gotteshaus Tempel. Häufig stehen Schrein und Tempel einträchtig nebeneinander. Der Shinto ist für Taufen, Hochzeiten und alle heiteren Angelegenheiten zuständig und ebenso für die Ahnenverehrung. Doch Krankheit und Sterben an sich sind in der shintoistischen Religion nicht gern gesehen, und da wendet man sich vertrauensvoll an Buddha.
Geführte Gottesdienste wie bei uns gibt es nicht. Die Gläubigen reinigen sich zuerst rituell, indem sie sich die Hände waschen und den Mund spülen. Dann gehen sie zur Gottheit ihres Vertrauens und werfen Geld in eine riesige Spardose, klatschen zweimal in die Hände, um die Götter zu wecken, und beten.
Die Gotteshäuser finanzieren sich durch Spenden, und größere Spender lassen Sakefässer oder Steinlaternen mit ihrem Namen aufstellen. Bei den Schreinen findet man oft lange Reihen von Chrysanthemen, die das Symbol des Shinto sind. Der Kaiser sitzt traditionell auf dem Chrysanthementhron , der seine göttliche Herkunft bezeugt, obwohl der Kaiser seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr als göttlich gilt.
Der nächste Besichtigungspunkt ist das hochmoderne, erdbebensicher gebaute Rathaus Tokios. Es handelt sich um Zwillingstürme, die auf einem dem Petersplatz nachempfundenen Platz stehen. Der Platz wird von zwei zueinander strebenden Bögen gesäumt – East meets West. In der obersten Etage befindet sich eine Aussichtsplattform. Mein Blick schweift über ein einförmiges, eher unattraktives Häusermeer. Viele Hochhäuser haben einen Hubschrauberlandeplatz und man sieht diese Fluggeräte
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