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Butterschmalz zum Fruehstueck

Butterschmalz zum Fruehstueck

Titel: Butterschmalz zum Fruehstueck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helga Jursch
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überall in der Luft umherschwirren.
    Im Souvenirladen des Rathauses ist der Teufel los. In der Mitte steht ein großer musizierender Weihnachtsbaum, dessen Lämpchen blinken. Endlose Reihen von Automaten säumen die Außenwände.
    Es geht weiter zum Kaiserpalast, der allerdings uneinsehbar in einem Park liegt. Das Leben am Hof ist sehr streng reglementiert. Die Mitglieder des Königshauses haben weder eigenes Geld noch ein eigenes Telefon. Die Genehmigung von Auslandsreisen dauert Jahre, ja selbst ein Gang in die Stadt muss dem Hofamt mindestens zwei Wochen im Voraus gemeldet werden.
    Wir erreichen den Hafen und nehmen den sogenannten Wasserbus nach Asakusa , zum Tempel hinter unserem Hotel. Vom Hafen aus sieht man eine Insel, auf der zwischen zwei Hochhäusern eine riesige Kugel eingeklemmt ist. Diese Kugel soll im Fall eines Erdbebens die kinetische Energie aufnehmen. Die echte Bewährungsprobe steht ihr aber noch bevor.
    Während der Fahrt auf dem Sumida -Fluss, durch unzählige Brücken und Kanäle, die den Eindruck eines in Beton gegossenen Venedigs aufkommen lassen, werden wir auf Japanisch, Chinesisch und Englisch vollgesäuselt. Nicht nur auf die Sehenswürdigkeiten werden wir hingewiesen, sondern auch ermahnt, auf die Stufen, die Kopfhöhe und unsere Habseligkeiten zu achten.
    In Asakusa besichtigen wir den rot-weißen Kannon -Tempel mit seinem berühmten Donnertor, das einen riesigen Lampion birgt, sehen die kleinen Holztäfelchen, auf die die Gläubigen ihre Wünsche schreiben. Praktischerweise befindet sich auf dem Areal auch ein kleiner Shinto-Schrein, in dem gerade eine Hochzeit stattfindet. Die Braut trägt einen weißen, sehr voluminösen Kimono und eine riesige Kapuze. Dem Hochzeitszug voran schreitet ein Flötenspieler. Die Feier im Schrein findet nur mit den unmittelbaren Angehörigen statt. Auf dem Standesamt erscheint die Braut meistens im weißen westlichen Hochzeitskleid mit der gesamten Hochzeitsgesellschaft.
    Nachdem wir uns am Brautpaar sattgesehen haben, geht es mit der U-Bahn zur Ginza , der berühmten Einkaufsmeile. U-Bahn fahren ist nicht ganz einfach zu durchschauen für Europäer, wird doch das Tokioter Netz von verschiedenen privaten Betreibern unterhalten. Doch von Asakusa zur Ginza zu kommen ist zum Glück kein Hexenwerk, außerdem ist hier die Beschilderung auch überall auf Englisch vorhanden. Man kann also unbesorgt verloren gehen. Eine Fahrt zur Ginza (ungefähr zwölf Stationen) kostet knapp 1,50 Euro.
    Die U-Bahn ist blitzsauber, am Bahnsteig steht ein Uniformierter mit weißen Handschuhen, aber er schubst uns nicht rein, wie man es zuweilen in Filmen über Japan sehen kann, schimpft jedoch mit uns, wenn wir über die weiße Linie treten. Überhaupt ist hier alles strahlend sauber, und das, obwohl es noch nicht mal öffentliche Mülleimer gibt. Man nimmt seinen Dreck mit nach Hause und entsorgt ihn da. Dabei müssen die Japaner sehr diszipliniert sein, denn es gibt hier nirgendwo auch nur ansatzweise Kaugummiflecken, was mich maßlos beeindruckt.
    Die Ginza sieht sehr amerikanisch aus, und was mich in diesem nichtchristlichen Land ein wenig schockt, ist die grelle, aufdringliche Präsenz von Weihnachten, obwohl noch nicht einmal Adventszeit ist. Überall Leuchtreklame, Deko, Geschenkpackungen, Weihnachtsmusik. An den Rolltreppen der großen Warenhäuser stehen sie wirklich, die legendären Damen, deren Job darin besteht, jeden Gast mit einer Verbeugung zu begrüßen.
    Japaner unterwerfen sich fast permanent einem strengen beruflichen Dresscode , aber wenn sie sich privat kleiden, sind sie sehr fantasievoll. Die Mode ist einfach hinreißend: alle Farben, alle Stile, eine immense Vielfalt. Japanerinnen sind durchweg zierlicher als ich, und so kann ich nur sehnsüchtig die Kleiderständer angucken. Was mich wundert, ist die Größe japanischer Waschmaschinen und Kühlschränke. Sie haben amerikanische Ausmaße. Und noch was haut mich um: die Möbel. Bei meiner Vorliebe für zierliche Sofas hoffe ich, eine Anregung zu finden. Aber auch hier lauern lauter wuchtige Wohnlandschaften, die ein kleineres Zimmer hoffnungslos verbarrikadieren. Es muss entweder der heimliche Traum der Japaner sein, ein Wohnzimmer zu haben, das so eine Couch ertragen kann, oder die Kundschaft derartiger Kaufhäuser hat schlicht und ergreifend den notwendigen Platz.
    Mitten in diesem Gewühl und Ameisengewusel der Einkaufsstraße bewegt sich ein Bettelmönch im Schleichgang vorwärts. Schrittchen für

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