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Butterschmalz zum Fruehstueck

Butterschmalz zum Fruehstueck

Titel: Butterschmalz zum Fruehstueck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helga Jursch
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ebenfalls prächtig ausgestatteten Speicherhaus, dessen First mit Elefanten dekoriert worden ist, die von den Künstlern nach reinen Überlieferungen hergestellt worden sind. Rührend anzusehen, wie sich die Künstler damals diese Tiere vorgestellt haben.
    Gegenüber dem Speicherhaus steht ein Stall, in dem manchmal ein Schimmel steht, der ebenso wie ein Albinohase als göttliches Botentier gilt. Heute ist der Schimmel nicht da. Wahrscheinlich, um ihn angesichts der Menschenmassen vor dem Wahnsinn zu bewahren. Der Stall wirkt sehr exklusiv. Er ist mit Schnitzereien verziert, unter anderem mit den berühmten drei Affen, die nichts hören, nichts sehen und nichts sagen.
    Danach verliere ich den Überblick. Ich werde von einem Strom von Menschen in eine Halle hineingeschoben, wo ich mich auf meine untergeschlagenen Beine setzen und mir eine Erklärung auf Japanisch anhören muss. Nach zehn Minuten tun mir die Beine weh. Nach zwanzig Minuten denke ich, so einfach kann Folter sein: Einfach jemandem die Oberschenkel auf die Fersen binden und so sitzen lassen. Dann dürfen wir wieder raus und Schuhe anziehen. Als ich das nächste Mal die Schuhe ausziehe, verliere ich den Anschluss an die Gruppe. Ich suche sie und nehme gar nicht richtig auf, was ich da sehe. Wie durch ein Wunder finde ich die Gruppe wieder.
    Ein Zwergpudel versucht verzweifelt, seine Sonnenbrille abzunehmen. Zwergpudel sind hier die beliebtesten Hunde. Zum einen, weil sie so klein sind, zum anderen, weil man sie beliebig zurechtstutzen kann. Es scheint für diese Pudel eine Kollektion gutsitzender Kleidung zu geben. Hundejungs tragen Jeans und Poloshirts, mit etwas Pech auch eine unverrückbar festsitzende Sonnenbrille, Hundemädchen tragen rosa Kleidchen und jede Menge Haarspangen.
    Wir gehen essen und entscheiden uns für eine in Japan so beliebte Nudelsuppe. Ich finde sie etwas fad, aber sie ist sättigend und es schwimmen keine unbekannten Objekte drin. Wir sitzen an den normalen Tischen, aber es gibt auch einen traditionellen Speisesaal, wo man mit untergeschlagenen Beinen an niedrigen Tischen sitzt. Restaurants mit beiden Sitzalternativen sollten uns noch öfter begegnen. Zum Schluss sehen wir noch das rötlich schimmernde Kupferdach eines Tempelgebäudes, bevor wir uns wieder über die Autobahn nach Tokio quälen. Immer wieder kommen wir an Gebilden vorbei, die wie riesige Volieren aussehen. Das sind Abschlagplätze für Golf. Golf und Reiten sind die beiden Prestigesportarten hierzulande, weil beide viel von einem knappen Gut verlangen, nämlich freiem Platz. Damit aber auch auf wenig Platz schwungvolle Schläge geübt werden können, gibt es diese Golfkäfige.
    Abends bummeln wir durch die überdachte Einkaufspassage, die es in jeder japanischen Stadt gibt. Dort gehen wir in ein Restaurant, das ich bisher nur aus Filmen kannte. Man sitzt auf einem Barhocker, und das Essen tuckert auf einem Förderband an einem vorbei. Mag man was, nimmt man sich den Teller. Bedienung gibt's nicht, auch nicht um Getränke zu bestellen. Dafür ist eine Heißwasser-Pipeline mit zahllosen Hähnen da, Trinkbecher und Teepulver, auf dass jeder sich so viel Tee bereite, wie er möchte. Es stehen auch noch zahlreiche Soßen da und ein Holzkistchen mit Sauerkraut. Es gibt Teller in verschiedenen Farben, und jeder Tellerfarbe entspricht ein Preis. Im Prinzip gefällt mir das System sehr gut. Man kann es bei einem Teller belassen oder fünfzehn Teller essen. Ich achte darauf, ja keinen Tintenfisch zu erwischen. Ansonsten versuche ich mich unvoreingenommen an den ganzen außerirdischen Genüssen, die an mir vorbeiziehen.

4. November 2007

Es geht auch ländlich
    Aus uns unbekannten Gründen wurde unsere Reiseleiterin abgezogen, und nun haben wir einen neuen Reiseleiter. Ein Glücksfall. Dieser Mann ist ein japanspezifischer Google, der ausschließlich relevante Treffer liefert.
    Wir fahren nach Kamakura , in ein Künstlerstädtchen an der Küste. Den Großraum Tokio verlassen wir über Yokohama, einer Stadt, die verzweifelt um Eigenständigkeit kämpft und immer wieder von Tokio untergebuttert wird. Yokohama ist die zweitgrößte Stadt und der größte Hafen des Landes, und wir fahren und fahren und fahren, doch trotzdem hören die Kräne und Öltanks einfach nicht auf. Sollte hier mal die Erde beben, wird wegen der resultierenden Ölpest der ganze Globus in Mitleidenschaft gezogen. Nicht schön, aber überaus beeindruckend.
    Immer wieder sieht man blaue Zelte. Darin wohnen

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