Bye Bye, Crazy Chick
gelernt und ich versuchte mich zu erinnern, wie man SOS signalisierte, gab mich dann aber mit einer Serie unregelmäßiger, panischer Huper zufrieden. Ich hoffte, dass sie verzweifelt klangen und nicht nur wie eine spinnende Autoalarmanlage oder die Drumpartie von ›My Sharona‹, einem Song, den Inchworm manchmal live spielte (nur aus Scheiß natürlich).
Am anderen Ende der schmalen Gasse tauchten zwei Scheinwerfer auf.
»Gott sei Dank.« Ich schlug immer kräftiger und in kürzeren Abständen auf die Hupe und schrie zur offenen Scheibe heraus. »Hilfe! Hier bin ich! Hilfe!«
Die Scheinwerfer drehten und kamen auf mich zu. Rote und blaue Lichter fingen auf dem Dach des Polizeiwagens an zu blinken, als er direkt hinter mir hielt und die Türen aufgingen.
***
Die Polizeibeamtin, die auf mich zukam, schien es nicht eilig zu haben. »Gibt’s hier ein Problem?«
Ich nickte in Richtung der Kabelbinder. »Ich … ich bin ans Lenkrad gefesselt.«
»Ja, das sehe ich.«
»Die Frau, die das gemacht hat, ist jetzt da oben in demBürogebäude. Sie ist bewaffnet und will jemanden umbringen. Sie ist eine Auftragskillerin. Und außerdem aus Litauen.« Keine Ahnung, warum mir die letzte Info wichtig erschien. Vielleicht, um die Sache glaubhafter klingen zu lassen.
»Eine Auftragskillerin?« Jetzt hatte ich die Aufmerksamkeit der Polizistin gewonnen. Allerdings schien sie sich mindestens genauso dafür zu interessieren, dass ich siebzehn war, einen Miet-Smoking anhatte und einen Jaguar fuhr, der mir ganz offensichtlich nicht gehörte. Sie leuchtete mit der Taschenlampe über den Stempel auf meiner rechten Hand und holte entnervt Luft: UNTER 21. »Soll das ein Witz sein?«
»Auf der Windschutzscheibe ist Blut«, sagte ich. »Sieht das aus, als wäre es ein Witz?«
Sie ließ den Strahl der Taschenlampe über das verschmierte Rot auf der Windschutzscheibe wandern. In diesem Augenblick tauchte ein Einschussloch in der Scheibe auf. Und zwar ein brandneues. Jemand schoss auf uns.
Das
Pop
-Geräusch kam erst später. Die Polizistin war bereits neben dem Jaguar in Deckung gehechtet, riss sich das Funkgerät vom Gürtel und schrie einen Haufen unverständliches Zeug im Polizeijargon hinein. Als ich die nächste Kugel neben ihr auf den Asphalt aufschlagen hörte, sprang sie auf und raste in Richtung Einsatzwagen davon. Die Schüsse prasselten jetzt wie ein Hagelschauer auf den Boden. Im nächsten Augenblick kam Gobi zurückgerannt und sprang mit gezückter Pistole ins Auto. Eine Seite ihres Gesichts war mit Blut bespritzt und sie atmete schwer, als sie über die Schulter in Richtung Polizeiauto blickte.
»Du hast es schon wieder getan, stimmt’s?«, sagte ich. »Du hast jemanden erschossen!«
»Was war hier los?«, fragte sie und drehte den Schlüssel in derZündung um. Hektisch befreite sie meine Hände vom Lenkrad. »Fahr.«
Ich trat aufs Gaspedal und bretterte durch die schmale Gasse, haarscharf an einem Müllcontainer und einem Stapel Kartons vorbei. Ich hatte keine Ahnung, was vor mir lag. Bevor ich irgendetwas sagen konnte, briet mir Gobi mit dem Kolben der Pistole eins über den Kopf.
»Aua! Scheiße! Das tut weh!«
»Ich hab gesagt, du sollst warten, sonst nichts! Eine einzige kleine Bitte! Einfach warten!«
»Ich hab gar nichts –« Als sie wieder drohend die Pistole hob, zuckte ich zusammen und verstummte.
Sie ließ die Waffe sinken. »Du bringst unschuldige Menschen in Lebensgefahr, wenn du solche idiotischen Risiken eingehst! Was hast du dir bloß dabei gedacht?«
»Wolltest du wirklich die Polizistin erschießen?«
Sie sah in den Seitenspiegel. Hinter uns in der kleinen Gasse spiegelte sich das Blaulicht des Polizeiwagens in den Pfützen und flackerte über die Backsteinwände. »Gut möglich, dass ich das immer noch tun muss.« Sie sah mich kopfschüttelnd an. »Mittlerweile ist mir auch klar, warum du keine Freundin hast, Perry.«
»Was? Ich hatte schon mal eine Freundin! Was hat das damit zu tun?«
»Du weißt nicht, wie man einer Frau richtig zuhört.« Sie zeigte nach vorn. »Da raus und nach rechts.«
Mit quietschenden Reifen nahm ich die Kurve. Leider zu schnell, sodass der Jaguar ins Schleudern geriet und mit dem Heck gegen einen Zeitungsstand prallte. Ich betete, dass sie sich jetzt nicht auch noch aus dem Fenster lehnen und auf die Polizistinhinter uns schießen würde. Aber natürlich tat Gobi genau das: Sekunden später hing sie aus dem Fenster und beballerte den Polizeiwagen.
»Ich hatte
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