Bye Bye, Crazy Chick
Blutschwall kam gurgelnd über seine Lippen. Gobi presste ihm die Hand auf den Mund, drückte ihn von sich weg, riss das Messer heraus und warf ihm eine weiße Tischdecke über den Bauch, während sie ihn zu Boden sinken ließ. Das Ganze dauerte wahrscheinlich drei Sekunden.
»Zu viele Bellinis«, murmelte sie, wischte das Messer an der Tischdecke ab und wandte sich mir zu. »Geh das Auto holen.«
Fünfzehn
Beschreiben Sie auf höchstens einer Seite eine unmögliche Situation, realistischer oder hypothetischer Natur, und wie Sie darauf reagieren würden.
Brandeis University
»Fast Mitternacht.« Sie stieg auf der Beifahrerseite ein. »Wir sind schneller als geplant. Fahr Richtung Uptown. East 85th Street.« Sie sah mich an. »Was machst du da?«
Ich wusste es nicht genau. Ich war mit meinem Parkschein hinaus auf den Bürgersteig getaumelt, hatte das Auto ausgehändigt bekommen und saß wieder am Steuer. Aber jetzt war ich wie gelähmt. Das Bild des sterbenden alten Mannes hatte sich so tief in meine Hornhaut eingebrannt, dass es mir deutlicher vor Augen stand als die ganze Fifth Avenue und der Central Park. Ich schien mich nicht mehr rühren zu können.
Der Aufruhr im Restaurant hatte sich bereits bis in die Empfangshalle des Hotels fortgepflanzt und wurde von Sekunde zu Sekunde lauter.
»Perry, fahr los! Sofort!«
»Ihm ist Blut aus dem Mund gekommen«, murmelte ich.
»Was?«
»Als du ihn erstochen hast. Als ob er Blut kotzen würde. Ein ganzer Schwall Blut.«
»Weil ich seine Bauchaorta durchtrennt habe«, sagte sie ungerührtwie eine Anatomielehrerin, die zu einem Hörsaal voller Medizinstudenten spricht. »Könnten wir jetzt bitte hier verschwinden?« Sie holte das BlackBerry aus der Monsterhandtasche und tippte auf der Tastatur herum.
Ich griff danach.
***
Der Überraschungseffekt wirkte sich positiv für mich aus. Zumindest lange genug, dass ich aus dem Wagen springen und hinaus auf die Fifth Avenue rennen konnte, wo ich um ein Haar von einer Limousine angefahren worden wäre. Ich lief weiter in Richtung Park. Ich drehte mich nicht um und blickte nicht zurück, sondern ließ nur meine Füße hart und schnell auf irgendeinen Ort zurennen, an dem Gobi mich nicht kriegen würde.
Der Park
, dachte ich – im Central Park war ich in Sicherheit. Da gab es Bäume, Felsen und Wasser, nicht bloß die Großstadt, die sie immer zu ihren Gunsten nutzte. Ich hatte ihr BlackBerry in der Hand und versuchte beim Rennen zu wählen, was sich als ziemlich unmöglich erwies. Aber wenn ich mich nur irgendwo lang genug verstecken konnte, dann könnte ich zu Hause anrufen. Und bei der Polizei.
Ich sprintete über eine Rasenfläche, am Teich vorbei, auf direktem Weg Richtung Dunkelheit. Ich kam an einem Jogger vorbei und erschreckte ein paar Enten, die laut quakend aufflogen. Vor mir türmten sich Felsen auf, hoffentlich hatte ich da noch Empfang. Ich kletterte die Steinbrocken hinauf, Gobis Telefon fest in der Hand, und versuchte, nicht zu laut nach Luft zu schnappen.
Oben machte ich Halt und blickte zurück.
Der Park wirkte menschenleer.
Ich keuchte, dass mir die Rippen wehtaten, und lauschte auf die schwachen Stadtgeräusche, die gedämpft durch die Bäume herüberdrangen: Stimmen, Hupen, hufeklappernde Pferde, die Kutschen mit Touristen darin durch den Park zogen. Ich atmete New York tief ein und Perry Stormaire aus. Die Welt roch nach jungen Blättern, Flechten und frisch gemähtem Gras. Während meiner kleinen Verschnaufpause überschlugen sich die Bilder und Gedanken in meinem Kopf, weil mein Gehirn endlich mal wieder mit genug Sauerstoff versorgt wurde. Der alte Mann, der an seinem eigenen Blut erstickte, während er zu Boden sank … Gobi, die mich ganz fest an sich drückte und mir tief in die Augen sah … Die Art, wie Milos zurückgezuckt und kreidebleich geworden war, als sie ihren Namen verraten hatte. Was hatte er mit ›bedauerliches Missgeschick‹ gemeint? Woher kannte er sie?
Ich verhielt mich mucksmäuschenstill und spähte hinunter auf den Weg und die dunkelglänzende Fläche des Teichs. Der Verkehr auf der Fifth Avenue schien unendlich weit weg. Das lauteste Geräusch war das Hämmern des Pulsschlags an meinem Trommelfell. Als ich den Blick hob, merkte ich, dass ich sogar Dads Bürohochhaus ganz hinten an der Third Avenue sehen konnte. Im obersten Stock brannte Licht: Einer der Partner mit Eckbüro arbeitete noch spät in der Nacht.
Ich berührte eine Taste am Telefon. Das Display
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