Bye Bye, Crazy Chick

leuchtete auf und schien mir ins Gesicht. Ich wählte unsere Telefonnummer und wartete ewig, während es bei uns zu Hause klingelte und klingelte.
    Endlich war Annies Stimme dran: »Hallo?«
    »Hey, Schwesterherz«, flüsterte ich. Im Hintergrund war derFernseher zu hören, irgendein Musiksender. Seit sie zwölf war, hörte sie viel Hip-Hop und R & B. »Ich bin’s.«
    »
Perry
? Wo bist du? Mom und Dad sind in die Stadt gefahren, um dich zu suchen, und Dad ist supersau–«
    »Annie, bitte hör mir zu. Du musst sofort aus dem Haus raus.«
    »Was? Warum?«
    »Du bist zu Hause nicht mehr sicher. Du musst da raus. Geh zu den Espenshades gegenüber, aber du musst aus dem Haus!«
    »Mensch, es ist Mitternacht oder so, Perry. Ich habe Mom versprochen, dass ich das Haus nicht verlasse. Ich soll noch nicht mal ans Telefon gehen, außer im Notfall. Aber ich hab mir gedacht, woher soll ich wissen, dass es ein Notfall ist, wenn ich nicht drangehe, weißt du?« Ich hörte, wie sie auf irgendetwas Knusprigem herumkaute, Popcorn oder Maischips, gefolgt von einem Strohhalmschlürfen. Die Vorstellung, dass sie die Speisekammer geräubert hatte und zu Hause gemütlich Chips mampfend vor der Glotze hing, tröstete mich irgendwie. »Wo bist du denn eigentlich? Du klingst irgendwie außer Atem. Bist du noch in New York?«
    »Annie, bitte hör mir zu. Im Keller liegt eine Bombe.«
    »Eine was?«
    »Eine Bombe, bei uns zu Hause im Keller.«
    »Ha-ha, sehr lustig.«
    »Das ist kein Witz! Gobi hat sie gelegt.«
    »
Gobi
? Unsere Austauschschülerin?«
    »Sie ist keine Austauschschülerin – sie ist irgendeine internationale Auftragskillerin. Und du musst da raus, verstehst du mich?«
    Es wurde erstmal lange still am anderen Ende, Fernsehenund Musik waren verstummt. Entweder hatte sie es ausgestellt oder die Tür hinter sich zugemacht.
    »Hey, Schwesterherz? Bist du noch da?«
    Sie atmete hörbar.
    »
Annie
?«
    »Und das ist ganz echt kein Trick, Perry?«, fragte sie. »Weil wenn, dann ist das total gemein.«
    »Es ist kein Trick«, antwortete ich.
    »Schwörst du?«
    »Ich schwör’s. Bitte hau einfach ab.«
    »Okay.«
    »Und ruf die Polizei an, sobald du bei den Espenshades bist.«
    »Perry?«
    »Was?«
    »Ich hab Gobi mal an einem Abend in ihrem Zimmer reden gehört, als sie gedacht hat, dass keiner da wäre. Ich glaube, da hat sie über Waffen gesprochen. Sie hat ständig zwischen Englisch und Litauisch gewechselt. Ich hab nichts gesagt, weil ich dachte, dass ich mich bestimmt verhört hätte.« Annie klang, als sei sie den Tränen nahe. »Perry, ich hab Angst.«
    »Bist du schon vor dem Haus?«
    »Ja …«
    »Mit dem Schnurlosen?«
    »Mm-hm …«
    »Geh einfach weiter«, redete ich ihr gut zu. »Geh so weit weg vom Haus, wie du nur kannst. Ich bleib am Telefon, bis du bei den Espenshades an der Tür bist, okay?« Ich wartete. »Annie?«
    Keine Antwort. War sie schon außerhalb der Reichweite des Telefons? Dann war das Geräusch eines näher kommenden Autos zu hören.
    »Annie, hörst du das …?«
    »Das sind Mom und Dad!«, platzte Annie auf einmal voller Erleichterung heraus. »Oh Perry, sie sind zu Hause! Sie sind wieder da! Alles ist gut!«
    »Nein, warte, Annie, sag ihnen, sie sollen nicht –«
    Aber sie war schon weg.

Sechzehn
    Ohne welche Erfindung wäre die Welt besser dran und warum?
    Kalamazoo College
     
    Ich hielt mir das Telefon direkt vor die Augen und suchte nach der Wahlwiederholung.
    Von unten am Fuß der Felsen war ein Klicken zu hören.
    »Komm da runter, Perry«, sagte Gobi.
    Scheiße.
    »Willst du mich etwa erschießen?«, fragte ich.
    »Wollen tue ich das nicht.« Sie trat unter eine Straßenlaterne, sodass ihr Schatten wie ein schwarzer Scherenschnitt auf dem Fußweg zu sehen war. An ihrer Schulter hing noch immer die unförmige Handtasche. Die Pistole in ihrer Hand zielte direkt auf meinen Kopf. »Aber du weißt, dass ich es, wenn nötig, tun werde.«
    »Na, dann sollst du auch einen guten Grund haben!«, rief ich.
    Dann schleuderte ich das BlackBerry so fest ich konnte in Richtung Teich.

Siebzehn
    Sind wir allein?
    Tufts University
     
    Schau, wie es fliegt.
    Ein kleines Ding, nicht schwerer als eine Taube. Hundertfünfzig Gramm Schaltkreise und Technik wirbelten wie ein Feuerrädchen durch die Nachtluft. Das Display blinkte auf seinem Flug in Richtung Wasser noch einmal auf, dann verschwand es.
Plopp.
Es spritzte nicht mal. Eine Ente quakte und flatterte davon.
Requiem for a BlackBerry
.
    Ich