Bye Bye, Crazy Chick
betrachtete die größer werdenden Kreise auf der Wasseroberfläche, in denen sich die Lichter der Stadt brachen.
Weg war’s.
Als Nächstes hörte ich Gobi die Felsen hochklettern. Geschmeidig wie ein Raubtier sprang sie von Stein zu Stein.
Sie packte mich am Hals, noch bevor ich zurückweichen konnte, und zog mich so dicht an sich, dass mir ihre Haare durchs Gesicht streiften. »Du hast mir heute Nacht sehr viele unnötige Schwierigkeiten bereitet, Perry.«
»Ach, das tut mir aber wirklich leid. Vielleicht wäre ich ja nicht so eine schreckliche Last für dich, wenn du mich nicht in diese ganze Sache mit hineingezogen hättest.«
Ihr freier Arm schob sich wie ein Hebel unter meinen Ellbogen, hakte mich fest ein und ließ mich im eisernen Griff aufden Teich zumarschieren. Als wir daran vorbeigingen, schüttelte Gobi den Kopf. »Das BlackBerry war mein Leben.«
»Also … war’s das dann für heute Nacht?«
»Noch lange nicht.«
Wir traten wieder hinaus auf die Fifth Avenue und blickten hinüber zum Sherry Netherland Hotel. Der Jaguar meines Vaters stand genau an der Stelle, wo ich ihn hatte stehen lassen. Allerdings parkten da jetzt auch noch zwei Wagen vom New York Police Department. Einer davor, einer dahinter, beide mit Blaulicht. Ein Rettungswagen war vor dem Eingang vorgefahren. Man brauchte kein Hellseher zu sein, um die Identität des Toten zu erraten, der gerade auf der Bahre aus dem Hotel getragen wurde. Unter der Uhr am Vordach hatte sich ein Grüppchen mitternächtlicher Gaffer versammelt. Sogar mitten in der Nacht gab es in New York Leute, die glotzen wollten, und es schien ihnen noch nicht mal peinlich zu sein.
»Erst das BlackBerry, jetzt der Wagen«, schimpfte Gobi. »Ganze Arbeit, Perry.«
Ich versuchte mit den Achseln zu zucken, schaffte es aber nicht. Es fühlte sich an, als wären meine Schultern mit rostigen Muttern festgeschraubt. Gobi trat hinaus auf die Straße und winkte ein Taxi herbei.
»Brooklyn« sagte sie zu dem Fahrer, während sie ihre Tasche auf den Rücksitz warf und sich danebensetzte. »Nach Red Hook.«
Der Taxifahrer schaltete den Zähler an und reihte sich wieder in den Verkehr ein.
»Ich dachte, wir wollten zur 85th Street«, sagte ich.
»Das war, bevor du all meine Pläne zunichtegemacht hast«, flüsterte Gobi, ohne mich anzusehen oder sich zu mir herüberzulehnen.»Heute ist die einzige Nacht, in der alle fünf Zielpersonen gleichzeitig in der Stadt sind. Aber du musstest ja mal wieder ein Riesenchaos anstellen, dass jetzt ausgebügelt werden muss. Und diesmal kannst du das gern selbst tun.«
Wir saßen beide schweigend auf dem Rücksitz, jeder in seine Gedanken versunken. Ich dachte an Annie und meine Eltern und wie sie wohl darauf reagieren würden, wenn Annie ihnen von einer Bombe im Keller erzählte. Ich malte mir aus, dass meine Mom die Polizei alarmieren wollte und mein Dad die ganze Sache als lächerlich abtun würde. Wahrscheinlich würde er schnurstracks mit einer Taschenlampe bewaffnet in den Heizungskeller marschieren, nur um recht zu behalten. Aber wenn er dann tatsächlich etwas fand –
Moment mal.
Annie hatte Scheinwerfer in unsere Einfahrt einbiegen sehen und war auf das Auto zugerannt. Was, wenn das jemand anderes gewesen war? Es war davon auszugehen, dass die Söldnertypen das Nummernschild des Jaguars kannten. Wie lange würden sie brauchen, bis sie unsere Adresse herausgefunden hatten?
»Wir müssen zurück nach Connecticut«, sagte ich. »Jetzt gleich.«
»Das geht nicht.«
»Sag mal, schnallst du es nicht? Was ist, wenn die zwei Arschlöcher in dem Hummer zu uns nach Hause fahren und sich meine Schwester schnappen?«
»Tun sie nicht.«
»Und woher weißt du das?«
»Weil sie heute Nacht nur einen Auftrag haben. Uns umzubringen.« Sie starrte zum Fenster hinaus. Ihr Spiegelbild inder Scheibe war bleich und ausdruckslos wie eine blasse Erinnerung. »Mich.«
»Gobi.«
»Was?«
»Der Alte im Hotel – als du ihm deinen Namen genannt hast, hat er geguckt, als ob er ein Gespenst sehen würde.«
Keine Antwort.
»Er hat gesagt, es wäre unmöglich, dass du da bist«, fuhr ich fort. »Was sollte das heißen?« Ich dachte an die Narbe, die ich beim Tanzen an ihrem Hals gesehen hatte – dünn wie ein Faden, wie ein würgender Halsreif unter dem Halbes-Herz-Anhänger, den sie immer noch trug. »Wer bist du?«
Sie rührte sich nicht.
»Verdammt noch mal, antworte mir!
Wer
bist du?«
Jetzt drehte sie sich zu mir und funkelte mich mit
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