Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bye Bye, Crazy Chick

Bye Bye, Crazy Chick

Titel: Bye Bye, Crazy Chick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Schreiber
Vom Netzwerk:
Foto von etwas bei, das für Sie wichtig ist, und erklären Sie seine Bedeutung.
    Stanford University
     
    Ich schlüpfte durch die Flügeltür hinaus, blieb einen Augenblick bewegungslos auf der Vordertreppe der alten Villa stehen und ließ den Blick durch die 85th Street wandern. Kein Mensch weit und breit. Abgesehen von dem schwachen Wummern der Musik hinter mir war alles still, so still sogar, dass ich die langsamen Wellenbewegungen meines Atems hören konnte.
    Etwas huschte über die Straße – eine Ratte wahrscheinlich – und verschwand zwischen Mülltonnen.
    Ich ging langsam und so lautlos wie möglich die Treppe herunter. Von den beiden Söldnern von vorher keine Spur. Der BMW stand noch genau da, wo wir ihn abgestellt hatten, direkt vor dem Hydranten. Ich war mir nicht ganz sicher, ob ich es schaffen würde, das Ding noch mal kurzzuschließen. Aber ich hatte Gobi beim ersten Mal beobachtet und glaubte, dass ich es hinkriegen würde. Es war lächerlich, aber ich konnte nur bis Gobi denken, danach setzte mein Denkvermögen sozusagen aus.
    Ich näherte mich langsam dem Auto, schlich geduckt zur Fahrerseite des BMW und setzte mich hinters Steuer. Der Schraubenzieher, den ich aus der Lenksäule gezogen hatte, war nirgendwo zu finden.
    Ich blickte hinüber zu Gobis Tasche. Sie hockte auf dem Beifahrersitz wie eine schweigende Begleiterin, die uns pflichtbewusst die ganze Nacht gefolgt war. Als ich hineingriff, fühlte ich Klamotten, Patronenschachteln, zwei Messer, ein Schulterhalfter aus Leder und einen Umschlag.
    Ich zog den Umschlag heraus und öffnete ihn.
    Ein Bild fiel mir in den Schoß.
    Ich nahm es in die Hand und betrachtete es.
    Es war ein altes, verblasstes Foto mit einem Knick in der Mitte, als wäre es schon hundert Mal zusammen- und wieder auseinandergefaltet, unten in Koffer geschoben und in Taschen vergraben worden. Zwei kleine Mädchen in dunklen Kleidern waren darauf zu sehen, die neben einem Baum vor einem bescheidenen, einstöckigen Haus standen. Vermutlich waren sie sechs oder sieben Jahre alt. Der Himmel hinter ihnen hatte ein seltsam grünliches Grau.
    Beide Mädchen hatten die Haare auf dieselbe strenge Art nach hinten gesteckt, die ich aus Gobis Zeit als Austauschschülerin an der Upper Thayer kannte. Eins der Mädchen hielt eine Puppe in der Hand; das andere hatte ein kleines, ein wenig gequält dreinschauendes Kätzchen auf dem Arm, dessen Schwanz herunterbaumelte. Vor ihnen auf dem Rasen stand ein kleiner runder Tisch, der mit Teetassen, Löffeln, Servietten und einer Teekanne gedeckt war. Beide Mädchen lächelten schüchtern, als ob der Fotograf sie gerade bei ihrem Lieblingsspiel überrascht hätte.
    Mein Verstand begriff allmählich, was meinem Gefühl schon lange klar war: Eins der Mädchen war Gobi. Das andere war ihr so ähnlich, dass es ihre Zwillingsschwester hätte sein können. Ich konnte nicht genau sagen, woher ich wusste, welches Gobiwar. Es war irgendetwas an ihrem Lächeln – ein Hauch von Fröhlichkeit, der dem anderen, ernsteren Mädchen fehlte.
    Ich hielt mir das Foto direkt vor die Augen und studierte es genauer.
    Beide Mädchen trugen Halskettchen mit Anhängern.
    Halbe Herzen.
    Ich bin der Tod.
    Das war der Moment, in dem sich die zwei Männer auf dem Rücksitz aufrichteten.
    ***
    »Schlaf schön, Süßer«, sagte der mit dem Tränentattoo und öffnete die Jacke. Ich sah die abgesägte Schrotflinte unter seinem Arm, kurz bevor er den Kolben über die Lehne schwenkte und auf meine Nasenwurzel krachen ließ. Ich merkte, wie ich zusammensackte. Mal wieder das Eckige, das ins runde Loch des Vergessens gehämmert wurde.

Dreiundzwanzig
    Wo sehen Sie sich selbst in zehn Jahren?
    Rutgers University
     
    Ich wurde von einem tropfenden Geräusch geweckt – ein unterirdisch nachhallendes
Plitsch-Platsch
von Wasser, das sich irgendwo unter der Erde sammelte.
    Als Nächstes spürte ich den Schmerz.
    Er fing in meiner Nase an. Ich konnte nicht atmen.
    Rachen und Nebenhöhlen waren wie zugestopft, verklebt mit klumpigem Blut. Schreckliche Schmerzen durchzuckten meine Gesichtsknochen und pochten durch Hals und Arme bis hinunter zu den Handgelenken.
    Meine Hände waren auf dem Rücken gefesselt. Als ich langsam den Kopf drehte, sah ich, dass ich auf einem metallenen Klappstuhl in einem spärlich beleuchteten Fabrikkeller saß. Obwohl ich in keine Richtung weiter als zwanzig Meter sehen konnte, erkannte ich über mir schemenhaft die Umrisse freiliegender Rohre und

Weitere Kostenlose Bücher