Bye Bye, Crazy Chick
Slavin.«
»Du kennst den Kerl?«
»Nur vom Hörensagen. Er wird gleich wieder runterkommen. Und anfangen mich zu foltern. Wie nennst du denn das, was er bis jetzt gemacht hat?«
»Nichts. Harmloses Vorgeplänkel.«
»Was wird er tun?«
»Wahrscheinlich beginnt er damit, mir die Fingernägel auszureißen. Ich möchte, dass du bereit bist.«
»Wofür?«
»Wenn sich eine Möglichkeit ergibt abzuhauen, dann lauf. Schau nicht zurück.«
»Ich soll abhauen, während du die Fingernägel rausgerissen kriegst?«
»Oder die Zähne«, fügte sie hinzu. »Die sind seine Spezialität. Angeblich war er früher in Rumänien mal Zahnarzt. Jetzt verdient er sein Geld damit, solche Verhöre zu führen.«
»Wieso sagst du ihm nicht einfach, was er wissen will?«
»Ich kann es nicht leiden, schikaniert zu werden. Und ich hab noch nie auf Gewaltandrohungen reagiert.« Sie zögerte. »Außerdem bringt er mich wahrscheinlich sowieso um.«
»Warum?«
»Weil das sein Job ist.«
Wir saßen schweigend da und lauschten dem Wasser, das von den Rohren in die Pfützen auf dem Boden tropfte. Ich fragte mich, wie schlimm ihre Verletzungen wohl wirklich waren.
»Hast du den aus der 85th Street eigentlich erwischt?«, erkundigte ich mich.
Sie nickte. »Dann bin ich raus zum Wagen. Du warst schon bewusstlos. Die zwei Männer haben auf mich gewartet. Als ich sie entdeckt habe, war es schon zu spät.«
»Tut mir leid«, sagte ich.
»Wieso? Es gab nichts, was du hättest tun können.«
»Doch«, antwortete ich. »Ich hätte besser aufpassen müssen.«
»Du hast getan, was du konntest. Du bist kein Kämpfertyp. Genauso wenig wie ich eine Austauschschülerin.«
Die Stille zwischen uns fühlte sich jetzt anders an, zog sich in die Länge und wurde normal – so wie wenn man unter freiem Himmel übernachtet, der andere lange nichts sagt und die Umgebungsgeräusche das Einzige sind, worauf man lauscht.
»Gobi –«
»Ich wollte dir eigentlich nichts davon erzählen«, sagte sie sehr leise. »Aber jetzt sollst du alles wissen.«
»Ich hab das Foto in deiner Tasche gesehen«, sagte ich. »Du und dieses andere Mädchen. Das ist deine Schwester, oder?«
»Sie war meine Schwester.«
»Wie hieß sie?«
»Gobija.«
»Was?«
»Sie war die erste Gobija.«
»Die, die gestorben ist?«
Gobi nickte. »Vor fünf Jahren haben wir zusammen eine Rucksacktour durch Tschechien gemacht. Eines Abends hat sie in einem Club einen Mann kennengelernt, mit dem sie auf sein Hotelzimmer gegangen ist. Ich war an dem Abend müde und bin in unserer Unterkunft geblieben.« Ihre Stimme klang abwesend und gequält. »Hätte ich sie bloß in diese Bar begleitet, dann wäre vielleicht alles anders verlaufen. So aber ist sie nie zurückgekommen.«
»Was ist mit ihr passiert?«
»Unsere Polizei hat überhaupt nichts rausfinden können.Über private Verbindungen hab ich angefangen, Indizien zu sammeln. Ich fand Hinweise darauf, dass sie von Menschenhändlern entführt und nach Amerika gebracht worden ist. Die Entführer haben ihr so lange hohe Dosen Heroin verabreicht, bis sie abhängig war.«
Ich versuchte, etwas zu sagen, doch es gelang mir nicht.
»Alle haben mich davor gewarnt, meine Nachforschungen fortzusetzen«, erzählte Gobi weiter. »Sie sagten, die Leute, mit denen ich es aufnehmen wollte, wären zu mächtig. Das war mir egal. Sie sagten, ich würde dabei draufgehen. Das war mir auch egal. Für mich war klar, dass mein Leben bedeutungslos war, wenn ich die verlorene Ehre meiner Schwester nicht rächen konnte. Doch als ich schließlich rausfand, wer sie entführt hatte, war es schon zu spät. Sie war tot.«
Ich versuchte erneut zu sprechen, aber meine Kehle war wie ausgetrocknet. Einen Moment lang konnte ich noch nicht mal schlucken. Meine Brust war so eng, dass sie schmerzte. Ich hatte das Gefühl zu platzen, wenn ich jetzt nichts von mir gab.
»War sie diejenige?«, fragte ich, und meine Stimme hörte sich kein bisschen wie meine eigene an. Ich versuchte es noch einmal. »Diejenige, die in Brooklyn ermordet worden ist?«
»Ja.«
»Und du bist unter ihrem Namen zurückgekehrt«, sagte ich, »um die Rechnung zu begleichen.«
Gobi stieß Luft aus. »Die ganze Wahrheit ist komplizierter«, antwortete sie, »nicht so sauber und ordentlich. Aber ja. Erst mal musste ich Waffen auftreiben und mich ausbilden lassen, um das tun zu können, was nötig war, um die Verantwortlichen zu bestrafen.«
»Hat dieser Santamaria es getan?«
»Mit ein paar anderen,
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