Bye Bye, Crazy Chick
genau?«
»An der Ecke 8th Avenue und 33rd Street«, antwortete ich. »Wieso?«
Ausgedehntes Schweigen.
»Ich rufe deinen Vater an«, sagte sie dann. »Bleib, wo du bist.«
***
Nachdem ich das Telefongespräch mit meiner Mom beendet hatte, blieb ich an der Ecke vor einem koreanischen Imbiss stehen und betrachtete den vorbeifahrenden Verkehr. Es vergingen ungefähr zehn Minuten. Ich dachte an Gobi und ihre Schwester und daran, wie sich alle Rätsel gelöst hatten.
Ich dachte an meinen Dad.
Als Kind glaubt man, der eigene Vater kann alles. Wenn er kein richtig böser Mensch ist, der einen verprügelt oder sich betrinkt und Sachen zerdeppert, bewundert man ihn wahrscheinlich irgendwie. So war das wenigstens bei den meisten Leuten, die ich kannte. Vielleicht würden sie es nicht genauso ausdrücken. Aber sie haben alle irgendeine Erinnerung, die sie in Ehren halten, an etwas, das sie mit ihrem Vater zusammen gemacht haben – selbst wenn es nur ein lange zurückliegender, schöner Augenblick ist.
Ich erinnerte mich daran, wie ich ein hölzernes Rennauto für die Pfadfinder gebaut hatte, als ich acht war. Dad kam mit einem glänzend roten Werkzeugkasten um die Ecke, den ich noch nie zuvor gesehen hatte, und half mir dabei, das Auto aus einem Holzklotz zu schnitzen. Wir saßen am Küchentisch und malten es silbern an, mit blauen und roten Flammen an den Seiten. Ich habe Cola getrunken und er schlürfte ein Bier. Als wir fertig waren, war das Auto zu leicht. Also haben wir Bleigewichte am Boden befestigt und die Räder geölt, bis es wie eine Eins von einer Seite des Tisches auf die andere rollte. Beim Rennen machte ich den dritten Platz und er sagte: »Ich bin stolz auf dich.«
Dann hatte ich noch schöne Erinnerungen an einen Ausflug mit meinem Dad nach Maine zum Angeln. Wir blieben mit dem Motorboot draußen auf dem nebligen See, bis es zu dunkel wurde, um die Schwimmer noch sehen zu können.
Ich erinnerte mich auch daran, wie er mir am Hochzeitsmorgen meines Cousins beibrachte, eine Krawatte zu binden.
Und wie er bei meinem ersten Schwimmwettkampf neben meiner Mom auf der Tribüne stand und mich angefeuert hat.
Ich fand es auch immer schön, wenn ich morgens früh aufwachte und ihn unten hörte, wie er sich einen Kaffee kochte und dann hinausschlich, um zur Arbeit zu gehen.
Und ich weiß noch genau, wie ich ihn zum ersten Mal habe fluchen hören.
***
Die Ampel sprang um.
Die Nachtluft war kalt und feucht. Ich merkte, dass ich ohne Handy nicht sagen konnte, wie spät es war. Aber ich hatte garantiert schon mindestens zehn Minuten hier gestanden.
Ich überquerte die 8th Avenue und ging Richtung Osten.
***
Ich brauchte eine halbe Stunde, um zu Fuß durch die Stadt zu dem Hochhaus in der 855 Third Avenue zu kommen, und weitere zwanzig Minuten, in denen ich wie ein Idiot winkend vor der Scheibe stand und ans Glas klopfte, bis Rufus endlich von der Zeitung aufsah und mich erkannte. Er packte die Zeitung weg, stand langsam auf und kam durch die riesige Eingangshalle, als traute er seinen Augen nicht.
»Junge, Junge« sagte er, während er die Tür für mich aufschloss. »Du arbeitest aber wirklich zu seltsamen Uhrzeiten.«
Ich trat ein und sah mich um. Das einzige Geräusch kam vom Springbrunnen, der unaufhörlich seinen feuchten Applaus für zwei Zuhörer klatschte. Ich warf einen flüchtigen Blick auf mein Spiegelbild in der Scheibe, auf mein blutiges Smokinghemd und mein übel zugerichtetes Gesicht.
»Was ist denn mit dir passiert?«
»Ich bin überfallen worden«, antwortete ich. »Ist hier sonst noch jemand vorbeigekommen?«
»Was, heute Nacht?« Er betrachtete mich ungläubig. »Bloß die Putzkolonne. Und zwei andere Sicherheitsleute, Davy und Rheinhart. Die sind unten im Kontrollraum und drehen ihre Runde.«
»Sonst niemand? Bist du sicher?«
»Hab die ganze Nacht hier an diesem Tisch gesessen.« Rufus sah mich besorgt an. »Soll ich die Polizei rufen?«
»Nein, danke. Ist jemand oben im Siebenundvierzigsten?«
»Ich glaube, von den Partnern arbeiten noch welche spät. Wo willst du hin?«
Ich ging zur Sperre und sprang hinüber. »Nach oben.«
»Hey, Junge, so geht das aber nicht. Du musst erst deine Karte durchziehen. Das ist Vorschrift.«
»Mir ist die Brieftasche geklaut worden!« Ich lief auf die Aufzüge zu. »Halt die Augen auf.«
»Wonach soll ich denn Ausschau halten?«, rief Rufus mir hinterher. »Bist du sicher, dass ich dir keinen Krankenwagen rufen soll oder so?«
Er sah
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