Byrne & Balzano 02 - Mefisto
wusste vermutlich so gut wie er selbst – wenn nicht besser –, was auf den Straßen dieser Stadt alles passieren konnte. Anstatt ihr eine Geschichte aufzutischen, sagte er nur: »Ich weiß es nicht.«
Sie hielt die Karte hoch. »Ich rufe Sie an, wenn ich etwas höre.«
»Das wäre nett.«
»Und wenn ich etwas tun kann, sagen Sie mir Bescheid.«
»Mach ich«, sagte Byrne. »Danke.«
Er drehte sich um und ging zu seinem Wagen. Auf der anderen Straßenseite lungerten zwei junge Mädchen herum, die das Zentrum beobachteten und rauchend auf und ab liefen. Vielleicht nahmen sie gerade ihren ganzen Mut zusammen, bevor sie die Straße überquerten. Byrne stieg in seinen Wagen und sagte sich, dass die letzten Schritte die schwersten waren, wie so oft im Leben.
34.
Seth Goldman wachte schweißgebadet auf. Er blickte auf seine Hände. Sauber. Nackt und desorientiert sprang er auf. Das Herz klopfte laut in seiner Brust. Er schaute sich um. Er hatte dieses schauderhafte Gefühl, nicht zu wissen, wo er sich befand … in welcher Stadt, welchem Land, auf welchem Planeten.
Eines war sicher.
Dies war nicht das Park Hyatt. Breite Streifen der unansehnlichen Tapete lösten sich von den Wänden; die Decke war mit braunen Wasserflecken überzogen.
Nach kurzer Suche fand er seine Uhr. Es war nach zehn.
Scheiße.
Wo war die Liste mit den anstehenden Terminen? Er fand sie relativ schnell und stellte fest, dass er nur noch eine knappe Stunde Zeit hatte, um am Set zu erscheinen. Er stellte ebenfalls fest, dass er den dicken Ordner mit dem persönlichen Drehbuchexemplar des Regisseurs bei sich hatte. Die Aufgaben des persönlichen Assistenten des Regisseurs waren breit gefächert und verlangten, dass er sich als Sekretär, Psychologe, Chauffeur und Drogendealer betätigte und für das leibliche Wohl seines Chefs sorgte. Seine wichtigste Aufgabe bestand allerdings darin, das Drehbuch wie einen Augapfel zu hüten. Von dieser Version des Drehbuchs existierte keine Kopie; sie gehörte neben den Egos der Hauptdarsteller zu den empfindlichsten Dingen in der verdrehten Welt der Filmproduktion.
Wenn das Drehbuch hier war und Ian nicht, saß Seth Goldman in der Tinte.
Er nahm sein Handy…
Sie hatte grüne Augen.
Sie hatte geschrien.
Sie wollte, dass er aufhörte.
… und rief im Produktionsbüro an und entschuldigte sich. Ian tobte. Erin Halliwell hatte sich krankgemeldet. Außerdem hatten sie mit der PR-Abteilung des Bahnhofs in der Dreißigsten Straße die letzten Vorkehrungen für den Dreh noch nicht abgesprochen. Die aufwendigen Szenen des Films sollten in weniger als zweiundsiebzig Stunden in dem großen Bahnhof an der Ecke Dreißigste und Market Street gedreht werden. Diese seit drei Monaten geplanten Szenen waren die teuersten Aufnahmen des ganzen Films. Dreihundert Statisten, eine komplizierte Kameraführung, verschiedene Special Effects. Erin hatte mit den Verhandlungen begonnen, und jetzt fiel Seth die Aufgabe zu, die letzten Details abzusprechen, wobei er noch tausend andere Dinge erledigen musste.
Er sah sich um. Im Zimmer herrschte Chaos.
Wann waren sie gegangen?
Als er seine Kleidung einsammelte, räumte er gleichzeitig in dem Zimmer auf. Alles, was weggeworfen werden musste, stopfte er in den Müllbeutel, der im kleinen Bad des Motelzimmers im Abfalleimer steckte. Seth wusste, dass er irgendetwas übersehen würde. Er würde den Müll wie immer mitnehmen.
Ehe er das Zimmer verließ, überprüfte er die Bettlaken. Gut.
Wenigstens eines lief glatt.
Kein Blut.
35.
Jessica informierte Staatsanwalt Paul DiCarlo über das, was sie am gestrigen Nachmittag erfahren hatte. Eric Chavez, Terry Cahill und Ike Buchanan nahmen an dem Gespräch teil. Chavez hatte am frühen Morgen vor dem Haus gesessen, in dem Adam Kaslov wohnte. Adam war nicht zur Arbeit gegangen, und mehrere Anrufe bei ihm blieben unbeantwortet. In den letzten zwei Stunden hatte Chavez Informationen über die Chandler-Familie gesammelt.
»Ziemlich teure Möbel für eine Frau, die von einem geringen Einkommen und Trinkgeld lebt«, sagte Jessica. »Und die obendrein trinkt.«
»Sie trinkt?«, fragte Buchanan.
»Sie trinkt«, wiederholte Jessica. »Außerdem hing in Stephanies Schrank ausschließlich Designer-Kleidung.« Ihnen lagen die Ausdrucke der Visa-Rechnungen vor, die Jessica fotografiert hatte. Sie hatten sie überprüft, ohne dass ihnen etwas Ungewöhnliches aufgefallen wäre.
»Woher stammt das Geld? Eine Erbschaft? Unterhalt für das Kind
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