Byrne & Balzano 1: Crucifix
ungefähr zu dem Zeitpunkt, als er Tessa Wells entführt, die er bis Montag festhält. Warum diese Zeitverzögerung?«
»Gute Frage«, sagte Byrne.
»Bethany Price wurde am Dienstagnachmittag entführt, und unser einziger Zeuge hat gesehen, dass ihr Leichnam am Dienstagabend vor dem Museum abgelegt wurde. Es ist kein bestimmtes Schema zu erkennen.«
»Es sieht fast so aus, als wollte er seine Taten nicht am Wochenende verüben«, meinte Jessica.
»Das ist vielleicht gar nicht so weit hergeholt«, sagte Byrne.
Er stand auf und ging zu der Dokumentationswand, die mittlerweile mit Fotos und Notizen übersät war.
»Ich glaube nicht, dass unser Täter sich vom Mond, den Sternen, Hunden namens Sam oder irgend so einem Mist beeinflussen lässt«, sagte Byrne. »Dieser Kerl hat einen Plan. Ich sage dir, wenn wir seinen Plan durchschauen, haben wir ihn.«
Jessica starrte auf den Stapel Bücher, die sie aus der Bibliothek ausgeliehen hatte. Irgendwo auf diesen Seiten lag die Antwort verborgen.
Eric Chavez betrat den Raum. »Hast du mal eine Minute, Jess?«, fragte er.
»Klar.«
Er hielt eine Akte in der Hand. »Ich habe hier etwas, das du dir ansehen solltest.«
»Und was?«
»Wir haben Bethany Price überprüft. Sie war vorbestraft.«
Chavez reichte ihr die Kopie eines Haftbefehls. Bethany Price war bei einer Drogenrazzia vor einem Jahr verhaftet worden. In ihrem Besitz waren fast einhundert Benzedrin gefunden worden, eine beliebte, aber verbotene Diätpille für übergewichtige Jugendliche. Auf jeden Fall war diese Pille schon zu Jessicas Highschool-Zeit von Übergewichtigen geschluckt worden, und offenbar hatte sich daran nichts geändert.
Bethany machte eine Aussage und wurde mit zweihundert Stunden Sozialdienst und einem Jahr auf Bewährung bestraft.
Das Urteil war nicht weiter erstaunlich, doch es gab einen Grund, warum Eric Chavez es Jessica erzählt hatte. Der Detective, der Bethany verhaftet hatte, war kein anderer als Vincent Balzano.
Jessica musste die Nachricht zuerst verdauen.
Vincent kannte Bethany Price. Ein merkwürdiger Zufall.
Laut Polizeibericht war es Vincent, der den Sozialdienst statt einer Haftstrafe empfohlen hatte.
»Danke, Eric«, sagte Jessica.
»Kein Problem.«
»Die Welt ist klein«, sagte Byrne.
»Trotzdem hätte ich keine Lust, sie anzumalen«, erwiderte Jessica abwesend, wobei sie den Bericht aufmerksam las.
Byrne warf einen Blick auf die Uhr. »Ich muss meine Tochter abholen. Morgen Früh fangen wir mit frischen Kräften an. Zerreiß alles und beginn noch mal von vorn.«
»Okay.« Jessica musterte ihren Partner. Auf seinem Gesicht spiegelte sich die Sorge, dass die Feuersbrunst, die in seiner Karriere nach dem Selbstmord von Morris Blanchard gewütet hatte, erneut entfacht werden könnte.
Byrne legte eine Hand auf Jessicas Schulter, zog dann seinen Mantel an und ging hinaus.
Jessica saß am Schreibtisch und blickte aus dem Fenster.
Obwohl sie es nur ungern zugab, musste sie Byrne beipflichten. Brian Parkhurst war nicht der Rosenkranz-Killer.
Brian Parkhurst war ein Opfer.
Jessica versuchte, Vincent übers Handy zu erreichen, erreichte aber nur die Mailbox. Sie rief in der Zentrale an und erfuhr, dass Detective Balzano unterwegs war.
Sie hinterließ keine Nachricht.
51.
Mittwoch, 16.15 Uhr
A ls Byrne den Namen des Jungen erwähnte, lief Colleen rot an.
»Er ist nicht mein Freund «, widersprach sie in der Gebärdensprache.
»Okay, okay. Wenn du es sagst«, erwiderte Byrne ebenfalls in der Gebärdensprache.
»Wirklich nicht.«
»Warum wirst du dann rot?«, fragte Byrne mit einem breiten Grinsen. Sie fuhren über die Germantown Avenue zur Gehörlosenschule Delaware Valley, wo heute die Osterparty stattfand.
»Ich werde nicht rot«, antwortete Colleen, die noch stärker errötete.
»Okay«, sagte Byrne und gab Ruhe. »Tut mir Leid. Ich hab mir einfach Sorgen gemacht.«
Colleen schüttelte den Kopf und schaute aus dem Fenster. Byrne sah, dass die Lüftung auf der Seite seiner Tochter Colleens hübsches, seidenes Haar zerzauste. Seit wann hatte sie so langes Haar?, fragte er sich. Und waren ihre Lippen immer so rot gewesen?
Byrne fuchtelte mit der Hand durch die Luft, damit seine Tochter sich zu ihm umdrehte. »Ich dachte, ihr hättet ein Date gehabt. Mein Fehler«, zeigte er in der Gebärdensprache.
»Es war kein Date«, widersprach Colleen. »Ich bin zu jung für ein Date. Frag Mama.«
»Wenn es kein Date war, was war es
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