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Byrne & Balzano 1: Crucifix

Byrne & Balzano 1: Crucifix

Titel: Byrne & Balzano 1: Crucifix Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Montanari
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zurück. Sein Hinterkopf zerbarst, und ein Brei aus Blut, Knochen und Gehirnmasse spritzte durch die Luft. Die zweite und dritte Kugel trafen ihn in den Unterkiefer und die Kehle. Diablos rechter Arm flog hoch und löste reflexartig das Schussfeuer der Uzi aus. Ein Dutzend Kugeln bohrten sich in den Boden, nur wenige Zentimeter von Kevin Byrne entfernt. Diablo brach zusammen; ein paar Kugeln schlugen in die Decke ein. Es war vorbei.
    Einen Moment stand Byrne erstarrt da – die Waffe in der Hand. Er hatte einen Menschen getötet. Seine Muskeln entspannten sich allmählich; er lauschte den Geräuschen. Keine Sirenen. Noch nicht. Er griff in seine Gesäßtasche und zog ein Paar Latexhandschuhe heraus. Aus der anderen Tasche zog er einen kleinen Butterbrotbeutel mit einem Öllappen. Er wischte den Revolver ab und legte ihn auf den Boden, als in der Ferne die erste Sirene ertönte.
    Byrne fand eine Dose Farbspray und besprühte die Wand neben dem Fenster mit einem JBM-Gang-Graffiti.
    Sein Blick glitt durch den Raum. Er musste verschwinden. Die Spurensicherung? Dieser Fall würde keine hohe Priorität genießen; dennoch würden die Kollegen hier auftauchen. Soweit er es beurteilen konnte, war er auf der sicheren Seite. Er nahm die Glock vom Tisch und rannte zur Tür, wobei er den Blutspuren auf dem Boden geschickt auswich. Als die Sirenen sich näherten, stürmte er die Hintertreppe hinunter. Sekunden später saß er im Wagen und fuhr zum Caravan Serai.
    So weit, so gut.
    Schlecht war nur, dass er wahrscheinlich etwas übersehen hatte. Wenn er etwas Wichtiges vergessen hatte, war sein Leben zu Ende.
     
    Der Hauptkomplex der Delaware Valley School für Gehörlose war alt und aus Natursteinen gebaut. Die Grundstücke waren sehr gepflegt.
    Als sie sich der Schule näherten, staunte Byrne wieder einmal über die Stille. Mehr als fünfzig Kinder zwischen fünf und fünfzehn tobten auf dem Hof, rannten umher und verbrauchten mehr Energie, als Byrne in dem Alter jemals gehabt hatte. Und es war vollkommen still.
    Als er die Gebärdensprache erlernt hatte, war Colleen sieben Jahre alt und schon ziemlich geübt gewesen. Wenn er sie abends ins Bett brachte, weinte sie oft, klagte über ihr Schicksal und wünschte, sie wäre ein normales Kind wie die anderen, die hören konnten. Byrne schloss sie dann einfach in die Arme, wusste nicht, was er sagen sollte, und hätte es auch nicht in der Sprache seiner Tochter sagen können, selbst wenn er es gewusst hätte. Doch als Colleen elf Jahre alt wurde, war etwas Sonderbares geschehen. Mit einem Mal wünschte sie sich gar nicht mehr, hören zu können. Sie akzeptierte ihr Schicksal und sah ihre Gehörlosigkeit plötzlich mit anderen Augen. Sie behauptete arrogant, es sei ein Vorteil, nichts zu hören, sozusagen ein Geheimbund außergewöhnlicher Menschen.
    Diese Wende war für Byrne eine große Erleichterung. Als seine Tochter ihn an diesem Tag auf die Wange küsste und davoneilte, um mit ihren Freundinnen zu spielen, war Byrnes Herz von Liebe und Stolz erfüllt.
    Sie würde ihren Weg gehen, auch wenn ihm selbst etwas zustieß. Einst würde sie eine hübsche, höfliche, angesehene Frau sein – trotz der Tatsache, dass ihr Vater vor vielen Jahren losgezogen war, um einen Mord zu begehen, an einem Mittwoch vor Ostern, als er seine Tochter in dem von Küchengerüchen erfüllten libanesischen Restaurant in Nord-Philadelphia zurückgelassen hatte, wo sie auf seine Rückkehr wartete.
     

 
     
    52.
     
     
    Mittwoch, 16.15 Uhr
     
     
    S ie ist wie der Sommer, diese hier. Wie das Wasser.
    Ihr strohblondes Haar ist lang und mit einer bernsteinfarbenen Haarspange zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Wie ein glitzernder Wasserfall fällt das Haar auf ihren Rücken hinunter. Sie trägt ein ausgeblichenes Jeanshemd und einen burgunderfarbenen Wollpullover. Sie hält eine Lederjacke über dem Arm. Soeben hat sie Barnes & Noble am Rittenhouse Square verlassen, wo sie als Teilzeitkraft arbeitet.
    Sie ist noch immer ziemlich dünn, aber es scheint, als hätte sie zugenommen, seitdem ich sie zum letzten Mal gesehen habe.
    Gut für sie.
    Die Straße ist belebt; daher trage ich eine Baseballkappe und eine Sonnenbrille. Ich gehe geradewegs auf sie zu.
    »Erinnerst du dich?«, frage ich und hebe meine Sonnenbrille kurz an.
    Zuerst ist sie sich nicht sicher. Ich bin älter, und daher gehöre ich zur Welt der Erwachsenen, die für sie eine Autorität darstellen. Wie am Ende der Party. Nach ein paar

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