Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Byrne & Balzano 1: Crucifix

Byrne & Balzano 1: Crucifix

Titel: Byrne & Balzano 1: Crucifix Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Montanari
Vom Netzwerk:
Sekunden erinnert sie sich.
    »Klar!«, sagt sie, und ihr Gesicht erhellt sich.
    »Du heißt Kristi, stimmt’s?«
    Sie errötet. »Ja. Sie haben ein gutes Gedächtnis.«
    »Wie ist es dir ergangen?«
    Die Röte verstärkt sich. Die Zurückhaltung einer selbstsicheren jungen Frau weicht der Verlegenheit eines kleinen Mädchens, das sich schämt. »Mir geht es viel besser, wissen Sie. Das war …«
    »He«, sage ich und halte eine Hand hoch, um sie zu unterbrechen. »Du musst dich nicht schämen. Wirklich nicht. Ich könnte dir Geschichten erzählen, glaub mir.«
    »Wirklich?«
    »Klar«, sage ich.
    Wir gehen die Walnut Street hinunter. Ihre Haltung verändert sich unmerklich. Jetzt ist sie ein wenig befangen.
    »Was liest du?«, frage ich und zeige auf ihre Tasche.
    Sie errötet wieder. »Es ist mir unangenehm.«
    Ich bleibe stehen. Sie bleibt ebenfalls stehen. »Was habe ich dir gerade gesagt?«
    Kristi lacht. Es ist ein wunderschöner Klang. In diesem Alter ist immer Weihnachten, immer Halloween, immer der Vierte Juli. Jeder Tag ist ein besonderer Tag. »Okay, okay.« Sie greift in den Plastikbeutel und zieht zwei Tiger-Beat-Zeitschriften hervor. »Es war ein Sonderangebot.«
    Auf dem Cover einer Zeitschrift ist Justin Timberlake abgebildet. Ich nehme das Magazin in die Hand und betrachte das Cover.
    »Mir gefiel sein Solo nicht so gut wie NSYNC«, sage ich. »Was meinst du?«
    Kristi schaut mich mit aufgerissenem Mund an. »Ich hätte nicht gedacht, dass Sie ihn kennen.«
    »He«, sage ich in einem Tonfall, als wäre ich gekränkt. »So alt bin ich nun auch wieder nicht.« Ich reiche ihr die Zeitschrift zurück und bin mir bewusst, dass meine Fingerabdrücke auf der glänzenden Oberfläche zurückgeblieben sind. Das darf ich nicht vergessen.
    Kristi schüttelt lächelnd den Kopf. Wir gehen weiter die Walnut hinunter.
    »Freust du dich auf Ostern?«, fragte ich, womit ich elegant das Thema wechsle.
    »Ja«, erwidert sie. »Ich liebe Ostern.«
    »Ich auch.«
    »Ich meine, es ist noch sehr früh im Jahr, aber Ostern bedeutet für mich immer, dass der Sommer naht. Einige Leute warten bis zum Memorial Day. Ich nicht.«
    Ich bleibe ein paar Schritte hinter ihr zurück, um Passanten vorbeizulassen. Meine Sonnenbrille erlaubt es mir, sie intensiv zu betrachten. In ein paar Jahren wäre eine langbeinige Schönheit aus ihr geworden, nach der die Männer auf der Straße sich umgedreht hätten.
    Wenn ich zur Tat schreite, ist schnelles Handeln gefragt. Ich muss sie unter Druck setzen. Die Spritze ist in meiner Tasche. Die Gummikappe sitzt fest auf der Nadelspitze.
    Ich schaue mich um. Die Menschen auf der Straße sind in ihre eigenen Dramen vertieft. Es ist fast so, als wären wir allein. Es erstaunt mich immer wieder, wie man in einer Stadt wie Philadelphia praktisch unbemerkt bleiben kann.
    »Wo gehst du hin ?«, frage ich.
    »Zur Bushaltestelle«, sagt sie. »Nach Hause.«
    Ich täusche vor, in meiner Erinnerung zu kramen. »Du wohnst in Chestnut Hill, richtig?«
    Sie lächelt und rollt die Augen. »Fast. Nicetown.«
    »Meine ich ja.«
    Ich lache.
    Sie lacht.
    Ich hab sie.
    »Hast du Hunger?«, frage ich.
    Ich mustere sie. Kristi hatte große Probleme mit Magersucht, und ich weiß, dass derartige Fragen für sie in diesem Leben immer eine Herausforderung bedeuten werden. Ein paar Sekunden vergehen, und ich fürchte, ich habe sie verloren. Habe ich nicht.
    »Ich könnte einen Bissen vertragen«, sagt sie.
    »Schön«, sage ich. »Gehen wir einen Salat essen. Anschließend fahre ich dich nach Hause. Die Zeit holen wir schnell wieder rein. Das ist eine gute Idee, nicht wahr?«
    Für den Bruchteil einer Sekunde legt sich ein Ausdruck der Angst wie ein dunkler Schleier auf ihr hübsches Gesicht. Sie schaut sich um.
    Der Schleier lichtet sich. Sie zieht ihre Lederjacke an, wirft ihren Pferdeschwanz zurück und sagt: »Okay.«
     

 
     
    53.
     
     
    Mittwoch, 16.20 Uhr
     
     
    E ddie Kasalonis war 2002 in den Ruhestand getreten.
    Jetzt war er Anfang sechzig. Eddie hatte fast vierzig Jahre bei der Polizei gearbeitet, größtenteils bei der Streife. Es gab kaum etwas, das er in den zwanzig Jahren Dienst auf den Straßen nicht gesehen hätte, bevor er zu den Detectives in Süd-Philadelphia wechselte.
    Jessica hatte Eddie über den FOP aufgestöbert, die Interessengemeinschaft der Polizei. Kevin hatte sie nicht erreicht, sodass sie sich allein mit Eddie verabredet hatte. Sie fand ihn dort, wo er sich um diese Zeit täglich

Weitere Kostenlose Bücher