Byrne & Balzano 1: Crucifix
Haus: Auf den Boden … auf den Boden … Hände hinter den Kopf Scheißkerl! Es stellt sich raus, dass Vincent durch die Tür reinspaziert war und sich den Typen schon geschnappt hatte, ehe wir einen Schritt machen konnten.«
»Hört sich ganz nach Vincent an«, sagte Jessica.
»Und wie oft hat er sich Serpico angesehen?«, fragte Byrne.
»Sagen wir mal so«, antwortete Jessica. »Wir haben ihn auf DVD und VHS.«
Byrne lachte. »Der ist schon eine Nummer für sich.«
»Irgendwie schon.«
In den nächsten Minuten unterhielten sie sich über gemeinsame Bekannte, die Schulen, die sie besucht und die Kriminellen, die sie hinter Schloss und Riegel gebracht hatten, bis sie wieder auf ihre Familien zu sprechen kamen.
»Stimmt es, dass Vincent mal das Priesterseminar besucht hat?«, fragte Byrne.
»Ungefähr zehn Minuten lang«, erwiderte Jessica. »Du weißt, wie es in dieser Stadt läuft. Wenn man ein Mann ist und noch dazu Italiener, hat man drei Möglichkeiten. Das Priesterseminar, die Polizei oder den Bau. Er hat drei Brüder, die alle im Baugewerbe tätig sind.«
»Wenn man Ire ist, wird man Klempner.«
»Stimmt«, sagte Jessica. Obwohl Vincent versucht hatte, der Tradition stolzer Italoamerikaner in Süd-Philadelphia treu zu bleiben, hatte er in Temple Rechtswissenschaft mit dem Nebenfach Kunstgeschichte studiert. Auf Vincents Bücherregalen standen neben Fachbüchern zur Polizeiarbeit, Drogen in der Gesellschaft und Das Spiel der Narkotika , ein abgegriffenes Exemplar von HW Jansons Kunstgeschichte . Er war doch nicht Ray Liotta und der vergoldete malocchio .
»Und was passierte mit Vincent und dem Ruf?«
»Du hast ihn kennen gelernt. Glaubst du, er wäre für ein Leben der Disziplin und des Gehorsams geschaffen gewesen?«
Byrne lachte wieder. »Vom Zölibat ganz zu schweigen.«
Darauf willst du doch wohl keine Antwort haben , dachte Jessica.
»Du bist also geschieden?«, fragte Byrne.
»Getrennt lebend. Und du?«
»Geschieden.«
Es war immer das alte Lied. Wenn man nicht bereits geschieden war, war man zumindest auf dem Weg dorthin. Jessica konnte die glücklich verheirateten Polizistenpaare an einer Hand abzählen, ohne ihren Ringfinger bemühen zu müssen, der auch als Träger ihres Eherings im Augenblick ausfiel.
»Wow«, sagte Byrne.
»Was?«
»Ich stell mir gerade vor, zwei Leute in dem Job, unter einem Dach. Verdammt.«
»Das brauchst du mir nicht zu erzählen.«
Jessica hatte von Anfang an gewusst, was für eine Herausforderung es war, als Polizistin einen Polizisten zu heiraten. Der Egoismus, die Überstunden, der Druck, die Gefahr – aber Liebe hat die Kraft, die Wahrheit zu verschleiern, die man kennt, und sie so zu formen, wie man sie gern hätte.
»Hat Buchanan dich gefragt, warum du hier bist?«, fragte Byrne.
Jessica war erleichtert, dass er offenbar nicht nur ihr diese Frage gestellt hatte. »Ja.«
»Und du hast gesagt, dass du hier bist, weil du etwas verändern willst, ja?«
Will er mich ködern? , fragte sich Jessica. Verdammt! Sie spähte zu ihm hinüber, bereit, ihre Krallen auszufahren. Er lächelte. Sie ließ es sein. »Ist das die Standardantwort?«
»Ja, besser als die Wahrheit.«
»Was ist die Wahrheit?«
»Die wahre Motivation, warum wir zur Polizei gehen.«
»Und wie lautet sie?«
»Die drei bekannten Gründe«, sagte Byrne. »Kostenloses Essen, keine Geschwindigkeitsbegrenzung und die Lizenz, Arschlöchern ungestraft die Fresse zu polieren.«
Jessica lachte. Noch nie hatte jemand es so poetisch ausgedrückt. »Nun, dann habe ich gerade nicht die Wahrheit gesagt.«
»Was hast du gesagt?«
»Ich habe ihn gefragt, ob er glaubt, dass er etwas verändert hat.«
»O Mann«, sagte Byrne. »Mann, o Mann.«
»Was?«
»Du hast Ike gleich am ersten Tag Kontra gegeben?«
Jessica dachte darüber nach. Vermutlich hatte sie es getan. »Ich glaub schon.«
Byrne lachte und zündete sich eine Zigarette an. »Wir werden gut miteinander klarkommen.«
Der Straßenabschnitt 1500 der North Eighth Street, in der Nähe der Jefferson, bestand aus von Unkraut überwuchertem Brachland und heruntergekommenen Reihenhäusern mit abgesackten Veranden, morschen Treppen und durchhängenden Dächern. Die Gesimse, die von den Weymouthkiefern eingedrückt worden waren, beschrieben gewellte Linien. Die Zahnschnitte waren verwittert und zogen böse Fratzen.
Zwei Streifenwagen mit Blaulicht standen in der Mitte des Straßenabschnitts vor dem Haus, in dem die Leiche gefunden worden
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