Byrne & Balzano 1: Crucifix
seinen Augen gesehen. Byrne fuhr fort. Charles Noone war nicht ihr Mann. »Hat sie etwas gesagt?«
»Ich glaube nicht«, erwiderte Noone, in dessen Stimme nun ein wenig Respekt mitschwang.
»Haben Sie jemanden in der Einfahrt stehen sehen?«
»Nein, Sir. Ich habe da drüben kein Fenster. Außerdem geht es mich nichts an.«
Stimmt , dachte Jessica. Hast du Lust, ins Roundhouse zu kommen und uns zu erklären, warum du jeden Tag junge Mädchen auf dem Weg zur Schule beobachtest?
Byrne gab dem Mann seine Karte. Charles Noone versprach anzurufen, falls ihm noch etwas einfiel.
Das Gebäude neben Noones Haus war ein leer stehendes Gasthaus namens Five Aces, ein einstöckiger Betonklotz, ein Schandfleck in der Großstadtlandschaft, dessen Einfahrt Zugang zur Neunzehnten und zur Poplar Avenue gewährte.
Sie klopften an die Tür des Gasthauses, aber es öffnete niemand. Das Gebäude war mit Graffiti übersät. Sie überprüften die Türen und Fenster, die alle von außen vernagelt und verriegelt waren. Was immer Tessa zugestoßen war, hier war es nicht passiert.
Sie standen in der Einfahrt und schauten die Straße hinauf und hinunter und auf die andere Straßenseite. Zwei Reihenhäuser hatten eine gute Sicht auf die Einfahrt. Sie überprüften beide Häuser. Keiner der Mieter erinnerte sich, Tessa Wells gesehen zu haben.
Auf dem Weg zurück zum Roundhouse fügte Jessica ihre Puzzlestücke von Tessa Wells’ letztem Morgen zusammen.
Ungefähr um zehn vor sieben am Freitagmorgen verließ Tessa Wells das Haus und ging zur Bushaltestelle. Wie jeden Tag ging sie die Zwanzigste hinunter zur Poplar, folgte dieser Straße ein Stück und wechselte dann auf die andere Straßenseite. Ungefähr um sieben Uhr wurde sie vor dem Reihenhaus an der Neunzehnten und der Poplar gesehen, wo sie einen kurzen Moment stehen blieb und vielleicht jemanden, den sie kannte, in der Einfahrt eines seit langem geschlossenen Gasthauses stehen sah.
Meistens traf Tessa ihre Freundinnen aus der Highschool an der Bushaltestelle. Ungefähr um fünf nach sieben holte der Bus die Mädchen dort ab und fuhr sie zur Schule.
Am Freitagmorgen aber traf Tessa Wells ihre Freundinnen nicht. Am Freitagmorgen verschwand Tessa einfach von der Bildfläche.
Ungefähr zweiundsiebzig Stunden später wurde ihre Leiche in einem verlassenen Reihenhaus in einer der schlimmsten Gegenden Philadelphias gefunden: Ihr Genick war gebrochen, ihre Hände waren verstümmelt, und ihr Leichnam umarmte die Nachbildung einer römischen Säule.
Wer hatte in dieser Einfahrt gestanden?
Nachdem sie ins Roundhouse zurückgekehrt waren, nahm Byrne eine NCIC- und eine PCIC-Überprüfung aller Personen vor, die sie getroffen hatten. Oder vielmehr all der Personen, die möglicherweise als Täter infrage kamen. Frank Wells, DeJohn Withers, Brian Parkhurst, Charles Noone, Sean Brennan. Die computerisierte nationale Verbrecherdatenbank war für das ganze Land, für alle Bundesstaaten, jeden Polizisten und sämtliche Justizbehörden zugänglich. Die Verbrecherdatei Philadelphias war die lokale Version.
Nur bei Dr. Brian Parkhurst wurden sie fündig.
Nach dieser Überprüfung trafen sie sich mit Ike Buchanan, um ihm Bericht zu erstatten.
»Über wen, glaubt ihr, liegt etwas vor?«
Jessica brauchte nicht lange darüber nachzudenken. »Dr. Cologne?«, erwiderte sie.
»Richtig«, sagte Byrne. »Brian Allan Parkhurst«, las er von dem Computerausdruck ab. »Fünfunddreißig Jahre alt, allein stehend, wohnhaft in der Larchwood Street im Bezirk Garten Court. Zwei Hochschulabschlüsse – Bachelor in Naturwissenschaften an der John Carroll University in Ohio sowie den Doktor der Medizin an der University of Pennsylvania.«
»Was hat er verbrochen?«, fragte Buchanan. »Bei rot über die Straße gelaufen?«
»Sind Sie bereit? Vor acht Jahren wurde ihm Kidnapping zur Last gelegt. Aber er wurde nicht verurteilt.«
»Kidnapping?«, fragte Buchanan ungläubig.
»Er arbeitete als Beratungslehrer an einer Highschool, und es stellte sich heraus, dass er eine Affäre mit einer der älteren Schülerinnen hatte. Sie fuhren für ein Wochenende zusammen weg, ohne die Eltern des Mädchens zu informieren. Die Eltern meldeten ihre Tochter bei der Polizei als vermisst, und Dr. Parkhurst wurde zur Vernehmung ins Präsidium vorgeladen.«
»Warum wurde er nicht verurteilt?«
»Es war ein Glück für den guten Doktor, dass das Mädchen einen Tag vor der Reise achtzehn wurde und behauptete, freiwillig mit
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