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Byrne & Balzano 1: Crucifix

Byrne & Balzano 1: Crucifix

Titel: Byrne & Balzano 1: Crucifix Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Montanari
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hatte an den einst stolzen Fassaden genagt. Von allen großen und kleinen Dramen, die sich im Laufe der Jahre hinter diesen Mauern abgespielt hatten, war es der Geruch des Todes, der haften bleiben würde. Selbst wenn es hier kein Leben mehr gab, würde der Wahnsinn noch lange Zeit verweilen.
    Aus den Augenwinkeln sah Byrne eine Bewegung rechts neben dem Haus. Ein streunender Hund lugte hinter einem kleinen Stapel alter Reifen hervor und beobachtete ihn; seine einzige Sorge sein nächster Bissen verwestes Fleisch und eine Pfütze Regenwasser, in die er seine Zunge tauchen konnte.
    Hundeglück.
    Byrne schaltete den CD-Player aus, schloss die Augen und genoss die Stille.
    Auf dem von Unkraut überwucherten Hof hinter dem Todeshaus hatte man keine Hinweise gefunden: keine frischen Fußspuren, keine Bruchstellen abgebrochener Zweige an den Sträuchern. Tessa Wells’ Mörder hatte vermutlich nicht in der Neunten geparkt.
    Byrne spürte, dass ihm der Atem in der Brust stockte wie in jener Nacht, als er in den eisigen Fluss gestürzt war, in tödlicher Umklammerung mit Luther White …
    Die Bilder erschienen vor seinem inneren Auge – brutal, abstoßend und niederträchtig.
    Er sah Tessas letzte Momente.
    Die Annäherung erfolgt von vorn …
    Der Mörder schaltet die Scheinwerfer aus, verringert die Geschwindigkeit, lässt den Wagen langsam und vorsichtig ausrollen. Er stellt den Motor ab. Er steigt aus und atmet tief ein. Er ist der Meinung, dass dieser Ort für seine Wahnsinnstat geeignet ist. Ein Raubvogel ist am verletzbarsten, wenn er seine Beute verschlingt und dabei Angriffen von oben ausgesetzt ist, sodass er kurzzeitig selbst in Gefahr schwebt. Er hat sein Opfer sorgfältig ausgewählt. Tessa Wells ist das, was ihm fehlt. Die Idee von Schönheit, die er zerstören muss.
    Er trägt sie über die Straße in das linke, leer stehende Reihenhaus. Hier hält sich keine Menschenseele auf. Es ist dunkel dort drinnen, selbst das Mondlicht scheint nicht hinein. Der vermoderte, glitschige Boden ist nicht ganz ungefährlich, aber er benutzt sicherheitshalber keine Taschenlampe. Noch nicht. Sie ist leicht in seinen Armen. Er verspürt eine ungeheuere Kraft.
    Er verlässt das Haus durch die Hintertür.
    (Aber warum? Warum legt er sie nicht im ersten Haus ab?)
    Er ist sexuell erregt, befriedigt seine Begierde aber nicht.
    (Wieder die Frage: Warum?)
    Er betritt das Todeshaus. Er trägt Tessa Wells die Treppe hinunter in den feuchten, stinkenden Keller.
    (War er vorher schon einmal dort?)
    Ratten huschen durch den Keller und fürchten um ihre magere Beute. Er hat keine Eile. Hier schlägt die Zeit ihren eigenen Takt.
    In diesem Augenblick hat er die absolute Kontrolle über sich. Er ist … Er ist –
    Byrne versuchte es, konnte das Gesicht des Mörders aber nicht sehen. Noch nicht.
    Der Schmerz flackerte mit unerträglicher Intensität auf.
    Es wurde schlimmer.
     
    Byrne zündete sich eine Zigarette an, rauchte sie bis zum Filter herunter, ohne dass ihn der Fluch eines einzigen Gedankens oder der Segen einer einzigen Idee störte. Jetzt regnete es in Strömen.
    Warum Tessa Wells? , fragte er sich, während er das Foto in seinen Händen drehte und wendete.
    Warum nicht ein anderes schüchternes junges Mädchen? Womit hat Tessa das verdient? Hat sie die Annäherungsversuche eines jungen Verehrers zurückgewiesen? Nein. Auch wenn jede neue Brut junger Männer immer verrückter zu sein schien und jeder nachfolgenden Generation eine immer größere Bereitschaft zu Gewalt vererbte, war dieses Verbrechen gewiss nicht die Tat eines zurückgewiesenen Jugendlichen.
    Wurde Tessa zufällig ausgewählt?
    Wenn das der Fall ist, hört es nie auf.
    Haftete diesem Ort etwas Besonderes an?
    Was hatte er übersehen?
    Byrne spürte Wut in sich aufsteigen. Der Schmerz pochte in seinen Schläfen. Er brach eine Vicodin entzwei und schluckte eine Hälfte ohne Wasser hinunter.
    In den letzten achtundvierzig Stunden hatte er nur drei oder vier Stunden geschlafen, aber wer brauchte schon Schlaf? Er hatte einen Job zu erledigen.
    Der Wind frischte auf und verfing sich in dem gelben Absperrband – den großen Fahnen zur Eröffnung des Todesmarkts.
    Byrne schaute in den Innenspiegel und sah die Narbe über seinem rechten Auge, die im Mondlicht glänzte. Er strich mit dem Finger darüber. Er dachte an Luther White und dessen .22er, die in jener Nacht, als sie beide starben, im Mondlicht schimmerte, als der Schuss dröhnte und die Welt erst rot, dann weiß

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