Byrne & Balzano 1: Crucifix
Mädchen sich nicht. Sie gehörten unterschiedlichen sozialen Schichten an, besuchten unterschiedliche Schulen, hatten unterschiedliche Interessen.«
Jessica schaute auf die Fotos der beiden Mordopfer, die nebeneinander an der Magnettafel hingen. Auf den ersten Blick gab es tatsächlich nur eine Gemeinsamkeit zwischen Tessa Wells und Nicole Taylor. Sie waren beide katholisch und hatten katholische Schulen besucht.
»Ich will, dass das Leben dieser beiden Mädchen auf den Kopf gestellt wird«, sagte Byrne. »Mit wem verbrachten sie ihre Freizeit, was trieben sie am Wochenende, die Namen ihrer Freunde, Verwandten, Bekannten. In welchen Vereinen waren sie Mitglieder, welche Filme haben sie sich angeschaut, zu welchen Kirchen gehörten sie. Irgendjemand weiß etwas. Irgendjemand hat etwas gesehen.«
»Können wir die Verstümmelungen und die bei den Mordopfern gefundenen Objekte vor der Presse geheim halten?«, fragte Tony Park.
»Vielleicht vierundzwanzig Stunden«, sagte Byrne. »Länger kaum.«
Chavez meldete sich zu Wort. »Ich habe mit dem Schulpsychologen gesprochen, der die Schülerinnen an der Regina betreut. Sein Büro ist in der Nazarene Academy im Nordosten. Die Verwaltung von fünf Konfessionsschulen einschließlich der Regina obliegt der Nazarene. Die Diözese beschäftigt im wöchentlichen Wechsel einen Schulpsychologen für alle fünf Schulen. Vielleicht kann er uns helfen.«
Jessica spürte einen Stich in der Magengrube. Es gab eine Verbindung zwischen der Regina und der Nazarene – und sie wusste nun, welche es war.
»Die haben nur einen Schulpsychologen für die vielen Schülerinnen?«, fragte Park.
»Es gibt ein halbes Dutzend Beratungslehrer«, sagte Chavez, »aber nur einen Psychologen für die fünf Schulen.«
»Wer ist das?«
Während Eric Chavez seine Notizen durchblätterte, wechselte Byrne einen Blick mit Jessica. Als Chavez den Namen fand, hatte Byrne den Raum bereits verlassen und den Hörer in der Hand.
23.
Dienstag, 14.00 Uhr
I ch bin Ihnen sehr dankbar, dass Sie gekommen sind«, sagte Byrne zu Brian Parkhurst. Sie standen in der Mitte des großen, halbrunden Raumes der Mordkommission.
»Ich bin froh, wenn ich Ihnen helfen kann.« Parkhurst trug einen dunkelgrauen Nylon-Jogginganzug und Reeboks, die nagelneu zu sein schienen. Falls er nervös war, weil er eine Vorladung ins Roundhouse bekommen hatte, zeigte er es nicht. Aber er ist ja Psychologe, dachte Jessica. Wenn er Angst erkennen konnte, dann konnte er sie auch verbergen. »Ich muss Ihnen nicht sagen, wie erschüttert wir alle in der Schule sind.«
»Wie haben die Schülerinnen es aufgenommen?«
»Es ist sehr schwer für sie.«
Um die beiden Männer herum herrschte reges Treiben. Das war ein alter Trick, damit der Zeuge sich nach einem Platz umsah. Die Tür zum Verhörraum A war weit geöffnet; alle Stühle im Großraumbüro waren belegt. Das war Absicht.
»Oh, tut mir Leid.« Byrnes Stimme klang aufrichtig besorgt. Er konnte ebenfalls gut schauspielern. »Warum setzen wir uns nicht hierhin?«
Brian Parkhurst saß auf dem gepolsterten Stuhl im Verhörraum A, einem kleinen, verschmutzten Raum, in dem Verdächtige und Zeugen verhört wurden, Aussagen machten und Informationen lieferten. Byrne saß Parkhurst gegenüber, während Jessica alles durch das Fenster beobachtete, das nur von einer Seite durchsichtig war. Die Tür zum Verhörraum war geöffnet.
»Noch einmal vielen Dank, dass Sie sich die Zeit genommen haben«, sagte Byrne.
In dem Raum standen zwei Stühle: ein bequemer Schreibtischstuhl und ein verbeulter Metall-Klappstuhl. Verdächtige mussten stets auf dem unbequemen Stuhl sitzen. Zeugen nicht. Bis aus dem Zeugen ein Verdächtiger wurde.
»Kein Problem«, erwiderte Parkhurst.
Der Mord an Nicole Taylor war in den Mittagsnachrichten als Top-Meldung gebracht worden, und sämtliche Lokalsender hatten ihre Programme unterbrochen. In den Bartram Gardens hielten sich Kamerateams auf. Byrne hatte Parkhurst nicht gefragt, ob er die Nachrichten gesehen hatte.
»Haben Sie schon Hinweise, wer Tessa getötet haben könnte?«, fragte Parkhurst in nüchternem, beiläufigem Ton, den er offenbar benutzte, wenn er ein Therapiegespräch mit einer neuen Patientin begann.
»Wir haben ein paar Spuren«, sagte Byrne. »Aber wir stehen mit den Ermittlungen noch ganz am Anfang.«
»Großartig«, sagte Parkhurst. Angesichts des grausamen Verbrechens klang dieses Wort kühl und ein wenig
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