Byrne & Balzano 1: Crucifix
grell.
»Ich verspreche Ihnen, es wird nicht lange dauern«, sagte Byrne.
»Ich habe Zeit.«
Byrne nahm eine Akte von dem verbeulten Metalltisch, kreuzte die Beine und schlug die Akte auf, war jedoch darauf bedacht, dass Parkhurst den Inhalt nicht lesen konnte. Jessica sah, dass es sich um eine Biografie handelte. Nichts, was Brian Parkhurst belastet hätte, aber das brauchte er nicht zu wissen. »Erzählen Sie mir ein bisschen mehr über Ihre Arbeit an der Nazarene Academy.«
»Nun, es geht größtenteils um Beratungen im Bereich des Lernens und Verhaltens«, erwiderte Parkhurst.
»Sie beraten Schülerinnen in ihrem Verhalten?«
»Ja.«
»Was heißt das genau?«
»Kinder und Jugendliche haben von Zeit zu Zeit Probleme, Detective. Sie haben Angst, wenn sie auf eine andere Schule wechseln, sie sind bedrückt. Oft fehlt es ihnen an Selbstdisziplin oder Selbstvertrauen, oder es mangelt ihnen an sozialen Fähigkeiten. Die Folge ist, dass sie häufig mit Drogen und Alkohol experimentieren oder an Selbstmord denken. Ich lasse meine Mädchen wissen, dass meine Tür immer für sie geöffnet ist.«
Meine Mädchen , dachte Jessica.
»Ist es für die Schülerinnen einfach, sich Ihnen gegenüber zu öffnen, wenn sie mit ihren Problemen zu Ihnen kommen?«
»Ich glaube schon.«
Byrne nickte. »Was können Sie mir sonst noch sagen?«
Parkhurst fuhr fort: »Ein Teil unserer Arbeit besteht darin, potenzielle Lernprobleme zu isolieren und Programme für diejenigen zu erstellen, die zu scheitern drohen.«
»Gibt es an der Nazarene Academy viele Schülerinnen, die in diese Kategorie fallen?«, fragte Byrne.
»Welche Kategorie?«
»Schülerinnen, die zu scheitern drohen.«
»Nicht mehr als an anderen Konfessionsschulen, würde ich sagen. Eher weniger.«
»Woran liegt das?«
»An der Nazarene Academy wurde seit jeher ein hoher Bildungsstandard erreicht.«
Byrne machte sich Notizen. Jessica sah, dass Parkhursts Blick auf dem Schreibblock ruhte.
Er fügte hinzu: »Wir versuchen auch, Eltern und Lehrern die Fähigkeit zu vermitteln, mit zerstörerischem Verhalten umzugehen. Wir ermuntern sie zu Toleranz und Verständnis und vermitteln ihnen, die Unterschiedlichkeit der Jugendlichen zu akzeptieren.«
In Jessicas Ohren hörte es sich an, als würde Parkhurst aus einer Broschüre vorlesen. Byrne erging es nicht anders. Er legte nun einen anderen Gang ein und bemühte sich nicht, dies zu verbergen. »Sind Sie Katholik, Dr. Parkhurst?«
»Selbstverständlich.«
»Entschuldigen Sie die Frage, aber warum arbeiten Sie für die Erzdiözese?«
»Wie bitte?«
»Ich könnte mir vorstellen, dass Sie an einer privaten Schule viel mehr verdienen würden.«
Jessica wusste, dass Byrne mit dieser Behauptung Recht hatte. Sie hatte mit einer alten Schulfreundin telefoniert, die in der Personalabteilung der Erzdiözese arbeitete, und wusste daher genau, was Brian Parkhurst verdiente. Es waren 71.400 Dollar im Jahr.
»Die Kirche ist ein sehr wichtiger Teil meines Lebens, Detective. Ich habe ihr viel zu verdanken.«
»Ach, übrigens, welches Gemälde von William Blake gefällt Ihnen am besten?«
Parkhurst lehnte sich zurück, als bemühte er sich um eine bessere Sicht auf Byrne. »Mein Lieblingsbild von William Blake?«
»Ja«, sagte Byrne. »Mir persönlich gefallt am besten Dante und Vergil vor dem Höllentor. «
»Ich kann nicht behaupten, dass ich Blake gut kenne.«
»Erzählen Sie mir etwas über Tessa Wells.«
Das war ein guter Schachzug. Jessica beobachtete Parkhurst ganz genau. Er war aalglatt. Keine Ticks.
»Was möchten Sie wissen?«
»Hat sie mal jemanden erwähnt, der sie belästigt hat? Jemanden, vor dem sie Angst hatte?«
Parkhurst schien über diese Frage nachzudenken, doch Jessica kaufte es ihm ebenso wenig ab wie Byrne.
»Nicht, dass ich wüsste.«
»Wirkte sie in letzter Zeit bedrückt?«
»Nein«, sagte Parkhurst. »Im letzten Jahr allerdings gab es eine Zeit, da habe ich sie ein wenig häufiger gesehen als die anderen Schülerinnen.«
»Haben Sie sich mal außerhalb der Schule mit ihr getroffen?«
Zum Beispiel in der Zeit um Thanksgiving? , fügte Jessica im Stillen hinzu.
»Nein.«
»Stand Tessa Ihnen näher als die anderen Schülerinnen?«
»Eigentlich nicht.«
»Aber es gab eine gewisse Beziehung?«
»Ja.«
»Vergleichbar mit der Beziehung, die sich zwischen Ihnen und Karen Hillkirk entwickelt hat?«
Parkhurst errötete, fasste sich aber sofort wieder. Er hatte offenbar mit dieser Frage
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