Byrne & Balzano 3: Lunatic
vom Waschsalon auf der anderen Straßenseite gestanden?
16.
D ie Gerichtsmedizin befand sich in der University Avenue. Als Jessica und Byrne zum Roundhouse zurückkehrten, lag eine Nachricht von Dr. Tom Weyrich mit dem Vermerk dringend vor.
Sie trafen sich im großen Autopsieraum. Für Josh Bontrager war es das erste Mal. Sein Gesicht war leichenblass.
Tom Weyrich telefonierte, als Jessica, Byrne und Bontrager eintraten. Er reichte Jessica eine Akte und hob einen Finger. Die Akte enthielt die vorläufigen Autopsieergebnisse. Jessica überflog den Bericht:
Der Körper entspricht dem einer normal entwickelten weißen Frau bei einer Größe von eins achtzig und einem Gewicht von einundsechzig Kilo. Ihre äußere Erscheinung entspricht dem amtlich dokumentierten Alter von vierundzwanzig Jahren. Die Leichenblässe ist eingetreten. Augen geöffnet. Iris blau, Hornhaut getrübt. Winzige Einblutungen beidseitig in der Bindehaut. Unterhalb des Unterkieferknochens befindet sich ein Strangulationsmal am Hals.
Weyrich legte auf. Jessica reichte ihm den Bericht zurück. »Sie wurde also erdrosselt?«, fragte sie.
»Ja.«
»Und das war die Todesursache?«
»Ja«, sagte Weyrich. »Aber sie wurde nicht mit dem Nylongürtel erdrosselt, der um ihren Hals gebunden war, als sie gefunden wurde.«
»Womit dann?«
»Mit einem viel dünneren Strick aus Polypropylen. Auf jeden Fall von hinten.« Weyrich zeigte ihnen auf einem Foto das V-förmige Strangulationsmal am Hals der Toten. »Es ist nicht hoch genug, um auf einen Tod durch Erhängen hinzuweisen. Ich glaube, der Täter hat sie mit eigenen Händen erdrosselt. Das Opfer saß vor dem Killer. Er stand hinter ihr, hat den Strick einmal um ihren Hals geschlungen und ihn dann zugezogen.«
»Können Sie uns sonst noch etwas zu dem Strick sagen?«
»Zuerst dachte ich, es wäre ein normaler Polypropylenstrick aus drei Strängen. Aber das Labor hat ein paar Fasern gefunden. Blaue und weiße. Vermutlich ist der Strick behandelt worden, um gegen Chemikalien resistent zu sein, und vermutlich schwamm er auf dem Wasser. Gut möglich, dass es sich um eine von diesen Leinen handelt, die in Schwimmbädern benutzt werden.«
»Sie meinen die Leinen, mit denen in Schwimmbecken die Bahnen abgetrennt werden?«, fragte Jessica nach.
»Ja«, bestätigte Weyrich. »Sie sind sehr fest und bestehen aus einem leicht dehnbaren Material.«
»Und warum hat der Killer einen Gürtel um den Hals seines Opfers gebunden?«, fragte Jessica.
»Das weiß ich nicht. Vielleicht wollte er die Druckstelle aus ästhetischen Gründen verdecken. Vielleicht hat es eine Bedeutung. Der Gürtel ist jetzt im Labor.«
»Schon was gehört?«
»Er ist alt.«
»Wie alt?«
»Vielleicht vierzig oder fünfzig Jahre. Das Material löst sich infolge des häufigen Gebrauchs, des Alters und der Witterung bereits auf. Die Labortechniker haben auf den Fasern viele verschiedene Substanzen gefunden.«
»Zum Beispiel?«
»Schweiß, Blut, Zucker, Salz.«
Byrne schaute zu Jessica hinüber.
»Ihre Fingernägel sind gepflegt und in gutem Zustand. Wir haben unter den Nägeln keine Spuren gefunden«, fuhr Weyrich fort. »Keine Kratzer und keine blauen Flecke.«
»Und was ist mit ihren Füßen?«, fragte Byrne. Bis heute waren die vermissten Leichenteile nicht aufgetaucht. Die Marine würde heute in der Nähe des Tatorts im Fluss tauchen, doch selbst mit ihrem Hightech-Gerät würde es eine Weile dauern. Das Wasser im Schuylkill war eiskalt.
»Ihre Füße wurden nach dem Tod mit einem scharfen, gezackten Werkzeug amputiert. Die Knochen sind ein wenig zersplittert, daher glaube ich nicht, dass eine chirurgische Säge benutzt wurde.« Weyrich zeigte auf die Vergrößerung einer Nahaufnahme der Schnittstellen. »Vermutlich eher die Säge eines Zimmermanns. Wir haben ein paar Spuren am Fundort sichergestellt. Das Labor glaubt, dass es sich um Holzspäne handelt. Vielleicht Mahagoni.«
»Das heißt, mit der Säge wurde Holz gesägt, ehe dem Opfer damit die Füße abgetrennt wurden?«
»Das sind zwar erst die vorläufigen Ergebnisse, aber so könnte es gewesen sein, ja.«
»Und die Amputation wurde nicht am Fundort vorgenommen?«
»Vermutlich nicht«, sagte Weyrich. »Aber sie war definitiv tot, als es geschah. Gott sei Dank.«
Fassungslos machte Jessica sich Notizen. Die Säge eines Zimmermanns.
»Da ist noch etwas«, sagte Weyrich.
Jessica wunderte sich nicht. Sobald man die Welt eines Psychopathen betrat, musste man sich auf
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