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Byrne & Balzano 3: Lunatic

Titel: Byrne & Balzano 3: Lunatic Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Montanari
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hatte, klingelte ihr Telefon erneut. Es war noch einmal Ingrid Fanning.
    »Ja, Ma’am«, sagte Jessica. »Ist Ihnen noch etwas eingefallen?«
    Nein, Ingrid Fanning hatte nicht angerufen, weil ihr noch etwas eingefallen war. Es ging um etwas ganz anderes. Jessica hörte ihr einen Moment sprachlos zu und sagte dann: »Wir sind in zehn Minuten da.« Sie legte auf.
    »Was ist los?«, fragte Byrne.
    Jessica antwortete ihm nicht sofort. Sie musste erst verarbeiten, was sie soeben gehört hatte. »Das war Ingrid Fanning«, sagte sie dann und berichtete mit knappen Worten von dem ersten Gespräch, das sie mit der Frau geführt hatte.
    »Hat sie etwas für uns?«
    »Ich weiß nicht«, sagte Jessica. »Sie glaubt, jemand habe ihre Enkelin in seiner Gewalt.«
    »Was sagst du?« Byrne sprang auf. »Und wer soll das sein?«
    Jessica war noch immer wie benommen, und dabei drängte die Zeit. »Ein Mann namens Detective Byrne.«

58.
    I ngrid Fanning war eine Frau in den Siebzigern mit jugendlichem Charme, dünn, drahtig und vital. Ihr buschiges weißes Haar war zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Sie trug einen langen blauen Wollrock und einen cremefarbenen Rollkragenpullover aus Kaschmir. Das Geschäft war leer. Jessica fiel auf, dass jetzt keltische Musik gespielt wurde. Außerdem bemerkte sie, dass Ingrid Fannings Hände zitterten.
    Jessica, Byrne und Ingrid standen hinter dem Ladentisch. Unter der Theke standen ein älteres Modell eines Panasonic-Videorekorders und ein kleiner Schwarzweißmonitor.
    »Nach unserem ersten Gespräch habe ich hier ein bisschen aufgeräumt und festgestellt, dass der Videorekorder nicht mehr lief«, sagte Ingrid. »Es ist ein altes Gerät. Das passiert häufiger. Ich habe ein Stück zurückgespult und versehentlich auf ›Abspielen‹ statt auf ›Aufnahme‹ gedrückt. Und dann habe ich das hier gesehen.«
    Ingrid spielte das Band ab. Als das Bild aus einem hohen Winkel gezeigt wurde, sah man einen leeren Gang, der zur Rückseite des Geschäfts führte. Im Unterschied zu den meisten Überwachungsanlagen war diese hier ein sehr einfaches System – ein ganz normaler Videorekorder, der auf Super-Longplay eingestellt war. Vermutlich konnten sechs Stunden in Echtzeit aufgenommen werden, und auch der Ton wurde aufgezeichnet. Der Blick auf den leeren Gang wurde von leisen Verkehrsgeräuschen in der South Street, gelegentlichen Autohupen und der Musik untermalt, die Jessica bei ihrem Besuch hier gehört hatte.
    Nach etwa einer Minute lief eine Gestalt durch den Gang und spähte kurz in einen Raum auf der rechten Seite. Jessica erkannte Sa’mantha Fanning.
    »Das ist meine Enkeltochter«, sagte Ingrid mit bebender Stimme. »In dem Zimmer rechts lag Jamie.«
    Byrne warf Jessica einen Blick zu und zuckte mit den Schultern. Jamie?
    Jessica zeigte auf das Baby in dem Kinderbett hinter dem Ladentisch. Das Baby schlief tief und fest. Byrne nickte.
    »Sa’mantha geht immer raus, um eine zu rauchen«, fuhr Ingrid fort und tupfte sich mit einem Taschentuch die Augen. »Sie hat mir gesagt, sie hätte aufgehört, aber ich wusste es.«
    Auf dem Band war Sa’mantha zu sehen, die zur Tür am Ende des Ganges lief. Sie öffnete, worauf ein Strahl graues Tageslicht in den Korridor fiel. Dann schloss sie die Tür hinter sich. Im Korridor war niemand zu sehen, und es war nichts zu hören. Die Tür blieb ungefähr fünfundvierzig Sekunden lang verschlossen, ehe sie wieder einen Spalt geöffnet wurde. Sa’mantha steckte den Kopf hinein, lauschte und schloss die Tür dann wieder.
    Ungefähr dreißig Sekunden lang tat sich nichts. Dann wackelte die Kamera leicht und veränderte die Perspektive, als hätte jemand die Linse nach unten gerichtet. Jetzt konnten sie nur noch die untere Hälfte der Tür und den letzten Meter des Korridors sehen. Ein paar Sekunden später waren Schritte zu hören; dann tauchte eine Gestalt auf. Es schien ein Mann zu sein, aber genau konnte man es nicht erkennen. Die Kamera zeigte nur die untere Hälfte eines dunklen Mantels von hinten. Sie sahen, dass der Mann in die Manteltasche griff und einen zweifarbigen Strick herauszog.
    Eine eisige Hand legte sich um Jessicas Herz.
    War das ihr Mörder?
    Der Mann steckte den Strick wieder in die Tasche. Kurz darauf wurde die Tür weit geöffnet. Wahrscheinlich schaute Sa’mantha wieder nach ihrem Sohn. Sie stand eine Stufe unterhalb des Geschäfts und war nur vom Hals abwärts zu sehen. Offenbar bekam sie einen Schreck, dort jemanden stehen zu sehen.

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