Byrne & Balzano 3: Lunatic
Tatsache abgelenkt werden, dass ein irrer Serienkiller durch die Straßen lief.
Inzwischen war man einhellig der Ansicht, dass der Psychopath, der die Morde am Fluss verübte, es darauf anlegte, eine Verbindung zu den Märchen von Hans Christian Andersen herzustellen. Aber wie wählte er seine Opfer aus?
Lisette Simon war nach dem bisherigen Wissensstand der Detectives das erste Opfer. Der Mörder hatte sie im Südwesten der Stadt am Ufer des Schuylkill abgelegt.
Das zweite Opfer war Kristina Jakos, die er in Manayunk am Ufer des Schuylkill in Pose gesetzt hatte. Die amputierten Füße des Opfers wurden auf der Strawberry Mansion Bridge, die den Schuylkill überspannt, sichergestellt.
Opfer Nummer drei war Tara Grendel. Sie wurde in einem Parkhaus in Center City entführt, ermordet und dann in Shawmont am Ufer des Schuylkill in ein Fenster gesetzt.
Führte der Mörder sie flussaufwärts?
Byrne markierte die drei am Flussufer gelegenen Tatorte auf einer Karte. Der Tatort im Südwesten und der in Manayunk, an denen ihres Wissens nach die ersten beiden Morde verübt worden waren, lagen weit voneinander entfernt.
»Warum der große Abstand zwischen den beiden Fundorten?«, fragte Bontrager, der Byrnes Gedanken erriet.
Byrne strich mit der Hand über den gewundenen Fluss. »Wir wissen nicht, ob hier nicht irgendwo noch eine Leiche liegt. Aber ich nehme an, dass es nicht allzu viele Plätze gibt, wo dieser Irre tun kann, was er tut, ohne gesehen zu werden. Unter der Platt Bridge schaut sich niemand um. Der Fundort in der Falt Rock Road kann vom Expressway und der Straße aus nicht eingesehen werden. Und die Pumpstation in Shawmont liegt abgelegen. Aber was bleibt noch übrig?«
Er hatte recht: Innerhalb der Stadt konnte man die Ufer des Flusses von vielen Aussichtspunkten aus sehen, vor allem vom Kelly Drive aus. Fast das ganze Jahr über waren hier Jogger, Ruderer und Radfahrer unterwegs. Es gab Stellen, an denen man anhalten konnte, aber die Straße war selten unbefahren. Es herrschte fast immer Verkehr.
»Er sucht sich Stellen aus, an denen er ungestört ist«, sagte Bontrager.
»Genau«, stimmte Byrne ihm zu. »Und wo er genügend Zeit hat.«
Bontrager setzte sich an den Computer und öffnete Google Maps. Je weiter der Fluss sich von der Stadt entfernte, desto abgelegener waren die Ufer.
Byrne betrachtete die Satellitenkarte. Wenn der Killer sie flussaufwärts führte, blieb die Frage: Wohin? Zwischen der Pumpstation in Shawmont und dem Oberlauf des Schuylkill River mussten fast hundert Meilen liegen. Es gab zahlreiche Plätze, an denen man eine Leiche verstecken konnte, ohne gesehen zu werden.
Und wie wählte er seine Opfer aus? Tara war Schauspielerin, Kristina Tänzerin. In diesem Punkt gab es eine Verbindung. Beide waren Künstlerinnen, die andere Menschen unterhalten hatten. Aber diese Verbindung endete mit Lisette. Lisette hatte in einer psychiatrischen Klinik gearbeitet.
Alter?
Tara war achtundzwanzig, Kristina vierundzwanzig und Lisette einundvierzig. Ein zu großer Altersunterschied.
Däumelinchen . Die roten Schuhe . Die Nachtigall .
Es gab nichts, was die Frauen miteinander verband. Jedenfalls nicht auf den ersten Blick. Außer den Märchen.
Die dürftigen Informationen über Sa’mantha Fanning führten sie in keine konkrete Richtung. Sie war neunzehn Jahre alt, ledig und hatte einen sechs Monate alten Sohn namens Jamie. Der Vater des Jungen war ein Loser namens Joel Radnor. Er war mehrmals vorbestraft, ein paar Mal wegen unerlaubten Drogenbesitzes und einmal wegen Körperverletzung. Das war alles. In den letzten Monaten hatte er in Los Angeles gelebt.
»Und wenn es sich bei unserem Täter um einen Typen handelt, der immer an Bühneneingängen herumlungert?«, meinte Bontrager.
Der Gedanke war Byrne auch schon gekommen, doch er hatte ihn wieder verworfen. Diese Opfer waren nicht ausgewählt worden, weil sie sich kannten. Sie waren nicht ausgewählt worden, weil sie in derselben Klinik gelegen oder dieselbe Kirche oder denselben Verein besucht hatten. Sie waren ausgewählt worden, weil sie zu den abartigen Geschichten des Mörders passten. Sie hatten einem Menschentyp entsprochen, einem Gesicht, einer Miene, die ein Ideal befriedigten.
»Wissen wir, ob Lisette Simon in einer Theatergruppe mitgespielt hat?«, fragte Byrne.
Bontrager sprang auf. »Das finde ich heraus.« Er verließ das Büro, als Tony Park mit einem dicken Stapel Computerausdrucke hereinkam.
»Das sind sämtliche
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